Die Oger - [Roman]
Grutzmal, aber nennen mich Matscha.«
»Hallo Matscha, ich bin Mogda.«
Wieder saßen sie beide nickend am Feuer. Der äußeren Erscheinung nach war Matscha ein ganz gewöhnlicher Oger, aber bei genauerer Betrachtung gab es einige Eigenheiten, die höchstens eine liebende Mutter schönreden konnte. Sein linkes Auge saß ein wenig zu tief und hatte leichte Schwierigkeiten zu fokussieren. Seine Nase war eingedrückt und besaß Ähnlichkeit mit einem Stück Obst, das vom langen Liegen Druckstellen bekommen hatte. Ihm fehlten einige Vorderzähne, und ein Fuß war seitlich verdreht und behinderte ihn beim Laufen. Vermutlich hatten diese Merkmale ihm seinen Spitznamen eingebracht.
»Warum du gekämpft?«, wiederholte Matscha seine Frage.
»Ich weiß nicht genau«, begann Mogda, »ich glaube, es hat mich geärgert, mich von einem blöden Ork herumkommandieren zu lassen. Ich hatte noch eine Menge zu tun, und ich musste ...«, er machte eine bedeutungsschwere Pause, »... meinen Weg finden.«
»Hattest du verlaufen?«, fragte Matscha verständnislos.
»So etwas Ähnliches.«
»Lebst du bei Hüttenbauer?«, fasste Matscha nach.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Mogda verblüfft.
»Weil du anders reden, wie einer von ihnen. Oder bist du Zauberoger, aus Wasserzahn?«
»Die gibt's nicht«, antwortete Mogda seufzend.
»Wohl!«, gab Matscha knapp und beleidigt zurück.
Mogda erkannte, dass ein Gedankenaustausch mit dem anderen Oger rasch an seine Grenzen stoßen würde.
Sie saßen noch eine Weile stumm nebeneinander und beschlossen dann wortlos, sich zur Ruhe zu begeben. Es war nicht einfach, in der Nähe der Orks einzuschlafen, da diese sich lautstark bemühten, sich bei dem neuen Anführer beliebt zu machen. Sie keiften sich gegenseitig an, und jeder hatte immer wieder eine neue Heldentat anzuführen, um in der Gunst von Sogrum zu steigen.
Mogda konnte aus dem Gerede heraushören, dass sie über das Gebirge reisen würden, um dann zum Drachenhorst zu gelangen, wo sie einen Meister treffen sollten. Das Drachengebirge war eigentlich als Reiseroute tabu, zumindest, wenn man keine Weggefährten hatte, da man nie wusste, ob so ein Drache nicht doch Hunger verspürte. Mogda hatte noch nie einen Drachen gesehen und hoffte, dass sich das auch so bald nicht ändern würde. Er hatte in den Büchern gelesen, dass es früher verschiedene Arten von Drachen gegeben hatte, die auf unterschiedliche Weise lebten. Einige im Eis, andere in Vulkanen und wiederum andere im Wasser. Sie unterschieden sich im Aussehen und in der Art ihres Odems, vor allem aber in ihrem Wesen. Einige waren gut, andere böse. Die Drachen, die es zurzeit noch gab, hatten angeblich alle rotbraune Schuppen, lebten in Höhlen und neigten dazu, Feuer zu speien, wenn man sie reizte. Mogda wollte auf keinen Fall herausfinden, ob alles, was in den Büchern stand, stimmte.
Er grübelte noch einen Augenblick über den Sinn und Zweck dieser Reise nach, schlief dann aber, in seinen Gedanken versunken, darüber ein.
Beim Aufwachen am nächsten Morgen trieben ihm sehnsuchtsvolle Gedanken durch den Kopf. Er lag verkrümmt auf dem feuchtkalten Boden, die Gliedmaßen steif von der Kühle der Nacht, und der Lammkeulenbraten aus seinem Traum, an dem er die Nacht über geschnuppert und geknabbert hatte, entpuppte sich als Matschas Fuß samt Ledersandale. Die aufsteigende Übelkeit sowie die Geräuschkulisse der lärmenden Orks ließen ihn hochschrecken. Matscha hatte offensichtlich von den ungewollten Annäherungsversuchen Mogdas nichts mitbekommen, oder er hatte diese in seine eigenen Träume eingebaut. Bei der Vorstellung daran verkrampfte sich Mogdas Magen erneut. Er musste dringend etwas trinken und etwas essen. Matscha machte noch keine Anstalten aufzuwachen, und auch die anderen Oger brauchten wohl noch etwas Zeit, um auf die Beine zu kommen.
Matscha lag mit dem Rücken auf dem Boden und hatte Arme und Beine weit von sich gestreckt. Auf seinen Lippen lag ein leichtes Lächeln, was seinen Gesichtsausdruck allerseits nicht unbedingt intelligenter erscheinen ließ. Mogda verdrehte die Augen. Er benötigte dringend etwas Abstand, geistig wie auch körperlich. Er besah sich die Kette. Er hatte im Winter etwas von Kraft- und Hebelwirkung gelesen, und dies schien der richtige Moment, um auszuprobieren, ob in dem Buch die Wahrheit gestanden hatte. Er nahm die grob geschmiedete Kette in die Hand und begann, mehrere Glieder gegeneinander zu verdrehen, bis sie sich ineinander
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