Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Lappen wieder in den Mund gestopft?, fragte er sich. Es galt, niemals mit dem Feind zu reden.
    Den Feind ja ... aber ist die Kleine denn überhaupt ein Feind?
    Nein, sie waren nur Gefangene. Nur Orks würden Kinder als Feinde betrachten. Orks haben keine Achtung, nicht vor ihresgleichen, nicht vor Kindern, vor niemandem. Tabal mag es, wenn man sich auf dem Schlachtfeld einer Herausforderung stellt. Kinder waren keine Herausforderung. Na ja, für Orks vielleicht schon.
    Die Kletterpartie wurde immer beschwerlicher. Es ging nun fast fünfzig Schritt senkrecht in die Höhe. Der Fels war nass vom Tauwasser, das sich vom Gipfel bis ins Tal in kleinen Bächen seinen Weg suchte. Die Oger kletterten, und die Kinder hingen von ihnen herab wie Perlen an einer Schnur. Sie hatten bereits gelernt, nicht in Panik zu verfallen und sich beim Klettern auf die Kraft und Geschicklichkeit der Oger zu verlassen.
    Sie befanden sich nun in einem natürlichen Passstück, das vom Schmelzwasser ausgewaschen wurde. Der Weg führte sie direkt zum schneebedeckten Gipfel hinauf. Sechs oder sieben Stunden strammer Fußmarsch, und sie hätten es geschafft. Der Gipfel war ein riesiges Plateau. Groß genug, um eine ganze Armee auf ihm zu beherbergen. Von dort aus hatte man einen guten Überblick auf die umliegenden Lande. Im Süden lagen die saftigen Wiesen Nelbors, westlich konnte man auf das Meer blicken, im Norden erstreckte sich die rote Ödnis mit dem Drachenhorst als Zentrum, und der Blick nach Osten wurde von der beeindruckenden Zwergenesse beherrscht. Der Weg über oder durch die Esse konnte nur mit dem Wohlwollen der Zwerge bestritten werden. Es war das nördlichste Bollwerk der Einwohner von Nelbor. Die Zwerge lebten sehr zurückgezogen im Inneren des Berges, wo sie nach Metallen und Edelsteinen suchten. Sie entsandten nur selten Patrouillen, doch ihnen zu begegnen, bedeutete meist große Verluste.
    Der Weg, auf dem sie sich jetzt befanden, gehörte nicht mehr zur Zwergenesse und schloss daher aus, auf das Kleine Volk zu stoßen.
    Das Signal für eine neue Rast ertönte.
    Diesmal lagerten sie mit drei Ogern und rund zwei Dutzend Kindern am Hang des Bergpasses. Vom oberen Teil kam ein Ork heruntergelaufen. In der Hand hielt er einen großen Schlüsselring. Er beachtete die anderen Grüppchen nicht, sondern hielt direkt auf Rator und seine zwei Begleiter zu. Unten angekommen bedeutete er Rator, den Fuß auf einen Felsen zu stellen, um die Fußfesseln zu lösen.
    »Ihr macht den Eingang zum Proviantversteck frei. Hier oben können wir nicht jagen. Wir nehmen uns etwas vom Gebunkerten. Holt drei Kisten Dörrfleisch heraus und gebt es dann nach oben weiter. Nehmt euch auch was, aber schlagt euch nicht die Bäuche voll«, ermahnte der Ork.
    Rator nickte kurz und blickte sich zu seinen Kameraden um. Der Ork machte sich wieder an den Aufstieg. Anscheinend erachtete er die Hilfe des Orks als unnötig, und wie sich herausstellte, wäre er auch kaum eine Hilfe gewesen. Die Oger näherten sich einem Felsbrocken von der Größe eines ausgewachsenen Menschen. Es war schwer zu sagen, was so ein Stein wohl wiegen mochte, aber selbst mit einem Karren und vier guten Zugpferden wäre er wohl nicht zu transportieren gewesen. Die Oger stellten sich von drei Seiten her an den Felsen. Beim Zupacken überkreuzten sich ihre Arme weit. Rator, der in der Mitte stand, spannte seine Muskeln an, bis die gemalten Zeichen auf seinem Oberkörper eine blasse Farbe annahmen. Er entlastete das Gewicht des Steines, während die anderen anfingen, den Felsen vom Hang wegzudrehen.
    Ein tiefes Grollen entstand, als sich der Stein bewegte. Die anderen beiden hatten ihre Füße in den Hang gestemmt und drehten mit der ganzen Kraft ihrer Körper. Stück für Stück gab der Felsen den Blick auf eine Nische frei, die von Schmelzwasser in den Berg gespült worden war. Die Höhle, die dahinter lag, war fast so groß wie eine kleine Blockhütte. In ihr stapelten sich Fässer, Säcke und zahllose Kisten, die mit groben Zeichen beschriftet waren. Jeder der Oger nahm eine Kiste heraus und stellte sie vor der Höhle ab.
    Als die Höhle wieder verschlossen war, bekam jedes der Kinder ein Stück Dörrfleisch und etwas Wasser aus einem Rinnsaal, das sich den Pfad herabschlängelte. Rator brachte die Kisten ein Stück den Hang hinauf, zu einer anderen Gruppe. Dann trottete er zurück, während die anderen ihre Fußketten wieder anlegten. Rator ließ sich neben den Kindern nieder. Von der

Weitere Kostenlose Bücher