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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dazwischen.
    »Nein, natürlich nicht. Aber wie ich sehe, sind die Einblicke in die Hintergründe dieser Schandtat Euch nicht ganz fremd. Habt Ihr mit Euren Fähigkeiten irgendetwas in Erfahrung bringen können?«
    »Meine Fähigkeiten, wie Ihr sie neuerdings nennt, sind kein Spiegel, in den man hineinschaut, und Zukunft oder Vergangenheit sieht, wie es einem beliebt. Wenn man etwas sieht, ist es eher so, als ob man Bruchstücke von zufälligen Begebenheiten erblickt, die sich auf der Oberfläche eines Gewässers widerspiegeln. Die Kunst besteht darin, sie richtig zu deuten.«
    »Und, habt Ihr etwas gesehen, was sich zu deuten lohnt?«
    »Ich habe viele Dinge gesehen, nur habe ich noch keinen Zusammenhang zwischen ihnen gefunden. Es sind sehr viele Spuren, nur scheinen sie alle von verschiedenen Personen zu stammen. Wenn es einen offensichtlichen Pfad geben würde, hätten Eure Leute ihn gewiss auch schon gefunden.«
    »Wir waren doch übereingekommen, nicht in Rätseln zu sprechen, oder? Ich kann verstehen, dass Euch die ganze Sache recht egal ist, Ihr seid alt und ...«
    »Seid still, überheblicher Geldeintreiber des Königs!«, fuhr Gerba ihn an. »Meine Enkelin ist bei dem Überfall entführt worden, genauso wie alle anderen Kinder, und ich mache mir dieselben Sorgen wie alle anderen auch. Wenn Ihr mich noch einmal respektlos unterbrecht oder beleidigt, werde ich mich darum kümmern, dass Eure Frau Euch wieder hingebungsvoll liebt. Wollt Ihr das?«
    »Nein, natürlich ...«, er machte eine Pause, um seine Verwirrung abzuschütteln, »... werde ich Euch nicht mehr unterbrechen. Bitte lasst uns gemeinsam Nutzen aus unserem Wissen ziehen. Ich bin am Ende meiner Weisheit und ...«
    »... am Ende meiner Kraft«, beendete Gerba seinen Satz. »Gut«, fuhr sie dann fort, »ich sage Euch, was ich weiß. Orks und Oger haben die Kinder entführt. Sie handelten aber nicht aus eigenem Antrieb, sondern sie wurden dazu ausgeschickt. Die Kinder werden nach Norden gebracht, wohin genau kann ich nicht sehen. Den Kleinen geht es verhältnismäßig gut, aber sie sind erschöpft und haben Angst. Die Geschöpfe Tabals sind auf unterirdischen Wegen in die Stadt gekommen, und so flüchteten sie auch wieder. Den Weg haben sie aber nicht allein ausgekundschaftet, sondern er wurde ihnen gezeigt, und zwar von jemandem aus der Stadt. Genau dieser Jemand beeinflusst auch die Gedanken von Zeugen und gaukelt ihnen vor, etwas anderes gesehen zu haben. Dieser Jemand lebt unter uns.
    Das ist alles, was ich sehen konnte. Und kommt nicht auf den Gedanken, jetzt jede Kleinigkeit zu hinterfragen. Wenn ich sage, das ist alles, dann ist das auch alles. Wenn ich versuchen würde, weitere Erklärungen zu finden, würde sich meine eigene Fantasie mit dem Gesehenen und dem Gehörten vermischen und ein Trugbild erschaffen.«
    »Was ich gehört habe, ist vollkommen ausreichend. Ich werde einen Trupp zusammenstellen, der die Verfolgung aufnimmt. Wenn wir erst einmal wissen, wo sie sich aufhalten, können wir Pläne für die Befreiung schmieden. Würdet Ihr mich jetzt bitte entschuldigen?«
    Lord Felton sprang von seinem Stuhl auf und verließ den Raum in großer Eile, ohne sich auch nur andeutungsweise zu verabschieden.
    »Hauptsache, Ihr schmiedet keine eigenen Fesseln«, brummte die Gerba, ohne dass Lord Felton sie hätte hören können. »Danke, ich finde allein hinaus.«

9
Kleine Bündnisse
 
    Der Tross war seit fünf Tagen unterwegs, und die Strecke, die sie an einem Tag hinter sich ließen, war nicht länger als die, die ein Ruderer bei Gegenströmung im offenen Meer zurücklegen würde.
    Die meisten Kinder hatten mittlerweile aufgehört zu weinen. Die Strapazen des Marsches hatten ihnen sämtliche Kräfte geraubt.
    Sie hatten allein drei Tage gebraucht, um zum Fuß der Zwergenesse vorzudringen. Dann waren sie, anstatt westlich weiterzuziehen und im Schutz des Bergmassives zu wandern, direkt ins Gebirge gezogen. Bis zur Baumgrenze war der Anstieg zwar beschwerlich, aber durch das anspornende Tempo und die Zugkraft der Oger waren sie nicht viel langsamer als auf ebener Strecke. Doch nun befanden sie sich mitten im Felsmassiv. Überall fielen tiefe Spalten ab, Felsvorsprünge ragten über ihren Köpfen hervor, und der Untergrund ließ bei keinem Schritt sicheren Halt vermuten. Jeder Schritt konnte hier den unvermeidlichen Tod bedeuten, besonders, wenn einer der Oger einen Fehler machte. Häufig kletterten die gewaltigen Wesen einfach los und zogen ihre

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