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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wir können uns gegenseitig unterstützen. Das Land ist vereint unter König Wigold, und wir leben in Frieden. Was sollte schon passieren?«
    »Nichts, Mylord«, antwortete Barrasch mit Überlegenheit in der Stimme.
    Lord Felton ließ einige zusätzliche Wachen aufstellen, um sicherzustellen, dass sie nachts nicht überrascht wurden. Von den Truppen Turmsteins ging zwar keine Gefahr aus, aber Vorsicht hatte schließlich noch nie geschadet.
    Die Nacht verlief ohne Vorfälle. Dennoch spürte man die Anspannung innerhalb der Truppe, besonders in den höheren Rängen. Beim Zusammentreffen zweier verschiedener Truppen kam es darauf an, das übliche Protokoll genauestens einzuhalten. Sonst gab es schnell Missverständnisse, diese führten zu Fehlverhalten, und schon war die Lage eskaliert.
    Zwei Jahre zuvor hatte sich ein kleiner Aufklärungstrupp aus Lorast unter der Führung von Lord Bennit einem stationierten Heer aus Turmstein im Galopp genähert, ohne sich vorher zu erkennen zu geben. Alle zwölf Reiter wurden von Bogenschützen niedergemetzelt, bevor sie auch nur dreihundert Fuß ans Lager herankamen. Später wurden die Tatsachen dann ein wenig anders wiedergegeben. Mit den daraus entstandenen Aussagen baute man ein komplettes Lügengerüst auf, auf dem eine blutige Fehde entstand, die mehr als zweitausend Männer das Leben kostete. Und alles nur, weil eine Fahne nicht in den Boden gesteckt worden war.
    Zwei Stunden vor Sonnenaufgang ließ Lord Felton sich vom Wachhabenden wecken. Er wollte sich vor dem Aufbruch des Heeres aus Turmstein mit dem anderen Befehlshaber in Verbindung setzen. Er hoffte nur, dass es sich nicht um einen Morgenmuffel handelte. Ihm war es zuwider, sich mit unfreundlichen, respektlosen und seiner Ansicht nach inkompetenten Persönlichkeiten von Rang und Namen zu unterhalten, die auch noch schlechte Laune hatten.
    Sie näherten sich dem Heer von Westen. Ein Platz auf einer kleinen Anhöhe sollte ihnen für den ersten Kontakt dienen. Sie erreichten ihren Zielort eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang. Es waren nur wenige Vorbereitungen zu treffen, diese aber mussten mit Sorgfalt ausgeführt werden. Lord Felton stieß die Erkennungsflagge von Osberg gut sichtbar in den Boden. Barrasch legte sich ein großes, mit Silberbeschlägen verziertes Signalhorn um den Hals.
    Zwei weitere Offiziere kümmerten sich um die Pferde. Als die Sonne hinter den Bergen emporstieg und die Ebene dahinter mit rötlichem Licht beschien, konnten sie erkennen, wie die Truppen aus Turmstein sich für den Aufbruch vorbereiteten. Lord Felton gab ein Zeichen, das Barrasch dazu veranlasste, ein lang anhaltendes Signal zu geben. Ohne auch nur einen der Soldaten zu erkennen, die fast eine Meile entfernt lagerten, wussten sie, dass nun alle Augen auf sie gerichtet waren. Unruhe brach im Lager aus. Feuer wurden hastig gelöscht, was zu einer enormen Rauchentwicklung führte, die die genaue Position der Truppen genauso gut verriet wie das Feuer selbst.
    »Nutzlose Stümper«, murmelte Barrasch ärgerlich, der gerade dabei war, das Horn wieder zu verstauen. »Was nun, Eure Lordschaft?«
    »Wir warten noch einen Augenblick. Sie werden uns erst beobachten. Dann wird sich einer verantwortlich fühlen, den leitenden Offizier zu verständigen, den er aber zunächst nicht finden kann. Nach einer Weile des ziellosen Umherirrens wird er ihn dann ausfindig machen. Die kurze Panikattacke des leitenden Offiziers wird von Ratlosigkeit abgelöst. Nachdem seine Berater ihm dann das formelle Vorgehen erklärt haben, er aber aus Unsicherheit dreimal nachfragen musste, wird fast eine Stunde vergangen sein.«
    »Ihr kennt Euch gut aus mit den Gepflogenheiten in Turmstein, Lord Felton.«
    »Kein Wunder, ich habe die ersten zwölf Jahre meines Lebens dort verbracht.«
    Die zeitliche Voraussage, die Lord Felton abgab, war so präzise, dass Barrasch seiner Bewunderung mit einem militärischen Gruß Ausdruck verlieh.
    Wie es das Reglement vorschrieb, näherten sich vier Reiter bis auf eine Entfernung von fünfhundert Schritt. Dann steckten auch sie ihre Fahne in den Boden und gaben ein Signal. Nun lösten sich aus den beiden Vierergruppen die Heerführer und trafen sich in der Mitte, um ihre Verhandlungen aufzunehmen.
    Lord Felton sah sich einem Jüngling um die zwanzig gegenüber. Er hatte einen blassen Teint, dünnes, hellbraunes Haar und eine Nase, die an einen Vogelschnabel erinnerte. Seine Augen blickten ausdruckslos, sein Mund verriet Überheblichkeit.

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