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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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fiel auf, dass man ihm durch sein brutales Aussehen nun noch mehr Respekt zollte. Dazu mochte natürlich auch seine neue Stellung als Major beitragen. Überall, wo er auftauchte, verstummten die Orks, und seine Untergebenen blickten ihn erschrocken an, voller Angst, einen Fehler begangen zu haben. Er konnte ihnen nach Lust und Laune Befehle erteilen, egal, ob sie sinnvoll schienen oder nicht. So konnte man die Zeit zwischen den Kämpfen angenehm überbrücken. Und in der Schlacht selbst konnte Ursadan Orks, die er nicht ausstehen konnte, einfach in todbringende Situationen schicken. Gefährliche Gegner hingegen überließ er anderen, und Gegner, die Ruhm einbrachten, tötete er selbst.
    Die Stellung als Major gefiel ihm ausnehmend gut, bis auf die unangenehme Aufgabe, schlechte Nachrichten und Verfehlungen zu melden. Und genau dies stand ihm gerade bevor.
    Ähnlich wie in der Anlage unter dem Grindmoor gab es hier ein Labyrinthsystem, und die Kammern der Meister befanden sich unterhalb des Berges am Ende von toten Gängen. Es waren vielleicht ein Dutzend oder mehr, aber Ursadan ging immer den gleichen Gang entlang, zum selben Zimmer. Und er sprach immer mit demselben Meister. Er nannte ihn nur Meister, da der richtige Name seines Herrn nicht auszusprechen war. Der Meister hatte ihm einmal erklärt, dass die, die seinen Namen benutzten, mit ihm redeten, ohne ihre Lippen zu bewegen. Ursadans Vorstellung davon reichte nicht weiter als das Bildnis eines Orks, der mit geschlossenem Mund versuchte, Wörter zu formen. Von Gedankenübertragung hatte er noch nie gehört.
    Er stand vor der schweren Eichentür und sah an seiner Uniform herunter. Schlechte Nachrichten waren das eine, Disziplinlosigkeit etwas anderes. Er ballte die Faust und wollte gerade anklopfen, da verließ ihn der Mut. Er öffnete die Finger und strich vorsichtig über die Bronzebeschläge der Tür, so als ob er sie reinigen wollte.
    »Was ist, Ursadan?«, drang die krächzende Stimme des Meisters aus der Kammer zu ihm. »Sind deine Hände schon zu zart geworden, um an eine Tür zu klopfen? Wenn das so ist, habe ich eine Reihe an Möglichkeiten, aus dir wieder einen harten Kerl zu machen.«
    Ursadans Hände verkrampften sich unwillkürlich bei diesen Worten. Er presste sie vor die Brust, wie jemand, der sich an kochendem Wasser verbrüht hatte. Aber er musste seine Angst unterdrücken. Schon allein seine Unentschlossenheit konnte den Meister erzürnen. Und das wollte er auf jeden Fall vermeiden. Laut klopfte er gegen die Tür.
    »Komm schon herein, du Larve.«
    Ursadan betrat die Kammer, schloss die Tür und blieb, wie gehabt, kurz dahinter stehen.
    »Was gibt es zu berichten?«, fragte der Meister von seinem thronartigen Sitz aus. Der Raum war fast identisch mit der Kammer unter dem Grindmoor. Nur waren die Wände hier aus massivem Fels und nicht aus Lehm.
    »Meister, zwei Gefangene sind geflüchtet und haben ihre Wache erschlagen.«
    »Sie haben was?«
    »Eine Wache erschlagen«, wiederholte Ursadan etwas verlegen.
    »Korrigiere mich, Major. Ist es nicht so, dass die Gefangenen, unsere Gefangenen, alles kleine Kinder sind? Wen hast du denn zur Wache eingeteilt? Vielleicht einen geistig zurückgebliebenen Kriegsveteran, dessen von Krankheit zerfressener Geist von Suizidgedanken geplagt wurde?«
    Ursadan gab sich alle Mühe, die Worte des Meisters zu verstehen, was ihm aber nur teilweise gelang. Schließlich suchte er sein Heil in einer raschen Antwort, von der er nur hoffen konnte, dass sie richtig war.
    »Nein, Meister.«
    »Nein, was?«
    »Wir hatten auch einen Oger gefangen genommen«, erklärte Ursadan.
    »Was hatte er verbrochen?«
    »Er war ungehorsam, und er hat einen meiner Brüder getötet.«
    »Tsk, tsk. Ungehorsam darf nicht geduldet werden«, gab der Meister zurück. »Und der andere Oger?«
    Ursadan benötigte einen Augenblick, um zu schalten. »Der andere Gefangene war kein Oger, sondern ein Menschenmädchen.«
    »Bitte sag jetzt nicht, dass du die Kleine mit den Zauberkräften meinst.« Dem Meister stand Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
    »Doch, Meister.«
    »Dann finde und töte sie. Schick die Kriegsoger aus. Sie sollen jeden Gang und jede Höhle untersuchen. Ich lasse die Lindwürmer um den Berg kreisen, falls sie schon ins Freie gelangt sind. Die Kleine darf nicht entkommen. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Meister«, entgegnete Ursadan und blickte zu Boden. Mit dem Fuß stieß er kleine Steine vor sich her. Er stand da, wie ein

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