Die Operation
gewichen. Das war das erste Auto gewesen, das ihnen auf der schmalen, zweispurigen Straße, die vom Flughafen wegführte, begegnet war.
Wie üblich hatte Daniel nervös zur Windschutzscheibe hinausgestarrt und dadurch das entgegenkommende Fahrzeug schon lange bemerkt. Er hatte sich zusehends mehr verkrampft, als der Fahrer den Wagen auf die linke Straßenseite gezogen hatte, ohne seinen Begrüßungsmonolog, der sich anhörte, als wäre er von einem Mitglied der bahamaischen Handelskammer verfasst worden, zu unterbrechen. Daniel hatte angenommen, der Fahrer werde seinen Irrtum bemerken und nach rechts wechseln. Aber nichts geschah. In dem Augenblick, als sich ein Zusammenstoß nach Daniels Einschätzung nicht mehr verhindern ließ, hatte er seinen verzweifelten Schrei ausgestoßen.
»Daniel, beruhig dich!«, sagte Stephanie beschwichtigend. Sie legte ihm sachte eine Hand auf den verkrampften Oberschenkel. »Es ist alles in Ordnung. Offensichtlich fahren sie hier in Nassau auf der linken Straßenseite.«
»Warum, zum Teufel, hast du mir das nicht vorher gesagt?«, wollte Daniel wissen.
»Ich hab es doch selber nicht gewusst, zumindest nicht, bis uns dieses Auto begegnet ist. Aber eigentlich ist es logisch. Die Bahamas waren jahrhundertelang britische Kolonie.«
»Aber wieso haben sie dann das Lenkrad links, wie bei normalen Autos?«
Stephanie war klar, dass Daniel nicht in der Stimmung war, sich beschwichtigen zu lassen. Also wechselte sie das Thema. »Ich bin immer noch ganz fasziniert von der Färbung des Meeres, als wir über die Inseln geflogen sind. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Wasser hier nicht besonders tief ist. Noch nie im Leben habe ich ein so helles Aquamarin oder ein so tiefes Saphirblau gesehen.«
Daniel gab lediglich ein Grummeln von sich. Seine Konzentration galt dem nächsten entgegenkommenden Wagen. Stephanie schaute nach draußen und kurbelte das Fenster herunter, obwohl das Taxi eine Klimaanlage hatte. Da sie mitten aus dem tiefsten Winter kamen, war sie fasziniert von der seidigen Tropenluft und der üppigen Pflanzenwelt, besonders vom strahlenden Rot und leuchtenden Violett der Bougainvilleen, die praktisch an jeder Wand emporrankten. Die winzigen Orte und Gebäude, an denen sie vorbeifuhren, erinnerten sie an Neuengland, abgesehen vielleicht von den kräftigen tropischen Farben, die durch die unerbittliche bahamaische Sonne erst richtig zur Geltung kamen. Die Menschen, die sie unterwegs zu Gesicht bekam, hatten die unterschiedlichsten Hautfarben - von blassem Weiß bis hin zu tiefem Mahagonibraun - und machten einen entspannten Eindruck. Selbst aus der Entfernung waren Lächeln und Gelächter zu erkennen. Stephanie spürte, dass dies hier ein glücklicher Ort war, und sie hoffte, dass das ein gutes Omen für ihr gemeinsames Vorhaben war.
Stephanie hatte keine Ahnung, wie sie untergebracht sein würden, da nie darüber gesprochen worden war. Das hatte alles Daniel geregelt, vor ihrer Abreise nach Italien, während sie sich um Butlers Zellkulturen gekümmert und ihre Familie besucht hatte. Aber sie wusste genau, wo sie ab dem zweiundzwanzigsten März, also in genau drei Wochen, wohnen würden. Dann würde Ashley Butler eintreffen und sie und Daniel würden mit Butler zusammen in das gewaltige Atlantis Hotel ziehen, wo Butler für sie alle Zimmer reserviert hatte. Stephanie schüttelte innerlich den Kopf angesichts der Aufgaben, die sie bis zur Ankunft des Senators noch zu erledigen hatten. Sie hoffte, dass die Zellkulturen in Cambridge sich gut entwickelten. Falls nicht, dann konnten sie die dreiwöchige Frist bis zur Implantation unmöglich einhalten.
Nach einer halben Stunde Fahrt tauchten links einige Hotels auf, die, wie ihr Fahrer ihnen verriet, am Cable Beach standen. Die meisten Bauten waren große Hochhäuser und machten auf Stephanie keinen besonders einladenden Eindruck. Als sie in die Stadt Nassau kamen, ging es dort unerwartet lebhaft zu. Überall stauten sich Autos, Lastwagen, Busse, Motorroller, Mopeds und Fußgänger. Doch inmitten des Durcheinanders und der Hektik, zwischen all den beeindruckend eleganten Bankgebäuden und den farbenprächtigen, aber eher steif wirkenden Kolonialbauten, war dieselbe glückliche Grundstimmung zu spüren, die Stephanie schon vorhin aufgefallen war. Die Menschen schienen selbst die Tatsache, dass sie im Stau feststeckten, nicht nur hinzunehmen, sondern zu genießen.
Das Taxi brachte sie über eine hohe, gewölbte Brücke nach
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