Die Operation
dass das Blut sogar seine rote Farbe behalten hatte.
Im Hauptmenü der Homepage des Turiner Grabtuchs klickte Stephanie die HÄUFIG GESTELLTEN FRAGEN an. Eine der Fragen lautete, ob jemals DNA-Versuche an dem Grabtuch vorgenommen worden seien. Aufgeregt klickte Stephanie die Antwort an. Sie erfuhr, dass texanische Forscher in den Blutflecken DNA gefunden hatten, auch wenn die Herkunft der untersuchten Probe nicht völlig geklärt war. Außerdem herrschte Unklarheit bezüglich der Frage nach der Reinheit und Unversehrtheit der DNA, angesichts der Vielzahl von Menschen, die das Grabtuch im Lauf der Jahrhunderte berührt hatten.
Die Homepage des Turiner Grabtuchs enthielt auch eine ausführliche Bibliografie, auf die Stephanie sich mit großem Eifer stürzte. Erneut war sie über den Umfang erstaunt. Ihre Neugier hatte jetzt einen Höhepunkt erreicht. Sie liebte Bücher und sah die lange Reihe der Titel durch. Dann wechselte sie auf die Seite eines elektronischen Buchhandels, wo hundert Titel zum Thema zur Verfügung standen. Sie stellte zahlreiche Übereinstimmungen mit der Liste auf der Grabtuch-Homepage fest. Nachdem sie etliche Buchbesprechungen gelesen hatte, entschied sie sich für ein paar Bücher, die sie sofort bestellen wollte. Vor allem die Werke von Ian Wilson sprachen sie an -ein Wissenschaftler, der in Oxford studiert hatte und der, den Kritiken zufolge, beiden Seiten des Authentizitätsstreits gerecht wurde, obwohl er persönlich von der Echtheit des Grabtuchs überzeugt war… nicht nur, was die Herkunft aus dem ersten Jahrhundert betraf, sondern auch als Leichentuch Jesu Christi!
Stephanie griff zum Telefon und wählte die Nummer der örtlichen Buchhandlung. Ihre Mühe wurde belohnt. Eines der Bücher, für die sie sich interessierte, war vorrätig: The Turin Shroud: The Illustrated Evidence von Ian Wilson und Barrie Schwortz, einem Fotografen, der zu einem US-amerikanischen Team gehört hatte, das das Grabtuch 1978 sehr gründlich untersucht hatte. Stephanie ließ das Buch auf ihren Namen zurücklegen.
Dann wandte sie sich wieder der Seite des Buchversandes zu und bestellte noch ein paar Grabtuchbücher. Sie würden morgen geliefert werden. Als das erledigt war, stand sie auf und nahm ihren Mantel von der Stuhllehne. »Ich gehe in die Buchhandlung«, rief sie Peter zu. »Ich besorge mir ein Buch über das Turiner Grabtuch. Nur so aus Neugierde: was weißt du darüber?«
»Hmmm«, machte Peter und verzog das Gesicht, als wäre er tief in Gedanken. »Ich weiß, in welcher Stadt es aufbewahrt wird.«
»Ich meine es ernst«, hakte Stephanie nach.
»Tja, sagen wir mal so«, meinte Peter. »Ich habe schon davon gehört, aber mit meinen Kumpels komme ich nur selten auf das Thema zu sprechen. Wenn es unbedingt sein muss, dann würde ich sagen, es gehört zu den Dingen, die die mittelalterliche Kirche dazu benutzt hat, das religiöse Feuer anzufachen und die Sammelbüchsen zu füllen, so wie mit den Splittern vom Kreuz Christi oder den Fingernägeln von irgendwelchen Heiligen.«
»Glaubst du, dass es echt ist?«
»Das echte Grabtuch Jesu, meinst du?«
»Ja, genau.«
»Oh Gott, nein! Es ist doch vor zehn Jahren bewiesen worden, dass es eine Fälschung ist.«
»Was würdest du sagen, wenn ich behaupte, dass es das meistuntersuchte Artefakt der Menschheitsgeschichte ist?«
»Ich würde dich fragen, was du in letzter Zeit geraucht hast.«
Stephanie lachte. »Danke, Peter.«
»Wofür denn?«, fragte er eindeutig verwirrt.
»Ich habe mir schon Sorgen gemacht, ob ich der einzige Mensch bin, der so wenig über das Turiner Grabtuch weiß. Beruhigend, dass es nicht so ist.« Stephanie zog ihren Mantel an und ging zur Tür.
»Woher kommt denn dein plötzliches Interesse an diesem Tuch?«, rief Peter ihr nach.
»Das wirst du noch früh genug erfahren«, rief Stephanie über die Schulter zurück. Sie ging quer durch den Empfangsbereich und steckte den Kopf in Daniels Büro. Verwundert sah sie ihn gekrümmt über seinem Schreibtisch sitzen, die Hände vors Gesicht geschlagen.
»He«, rief Stephanie. »Alles in Ordnung?«
Daniel blickte auf und blinzelte. Seine Augen waren gerötet, als hätte er darin gerieben, und sein Gesicht wirkte blasser als sonst. »Ja, alles in Ordnung«, sagte er. Er wirkte erschöpft, sein Tatendrang von vorhin war verflogen.
»Was ist denn los?«
Daniel schüttelte den Kopf, während sein Blick über den mit allerhand Gerümpel übersäten Schreibtisch glitt. Er seufzte.
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