Die Operation
sich Daniel ruckartig gegen seine Lehne fallen. Er blickte zu Stephanie empor und sie erwiderte seinen Blick. Sie waren perplex.
»Ich würde sagen, er meint es sehr ernst!«, schloss Stephanie. »Und er ist wild entschlossen!«
»Ich bin platt!«, sagte Daniel. »Ich hatte mit zehn-oder zwanzigtausend gerechnet, maximal. Aber niemals mit hundert. Wie hat er so schnell so viel Geld aufgetrieben?«
»Wie gesagt, er verfügt über ein ganzes Netzwerk aus politischen Aktionsgruppen, die bis zum Umfallen Spenden sammeln. Mich würde bloß interessieren, ob sich irgendeiner der Spender vorstellen kann, wofür dieses Geld eines Tages ausgegeben wird. Wenn diese Leute wirklich so konservativ sind, wie ich denke, dann liegt darin eine gewaltige Ironie.«
»Das kann uns doch egal sein«, sagte Daniel. »Außerdem. nie im Leben brauchen wir dafür einhunderttausend Dollar. Und doch ist es gut zu wissen, dass das Geld da ist - nur für alle Fälle. Machen wir uns an die Arbeit!«
»Ich habe schon eine Fibroblastenkultur mit seinen Hautzellen angelegt.«
»Sehr gut«, sagte Daniel, während das Hochgefühl des heutigen Vormittags langsam wiederkehrte. Er hatte sogar schon wieder ein bisschen mehr Farbe im Gesicht. »Ich versuche mal, möglichst viele Informationen über die Wingate Clinic zu bekommen.«
»Das hört sich gut an!«, entgegnete Stephanie. Sie ging zur Tür. »Ich bin in ungefähr einer Stunde wieder da.«
»Wo gehst du hin?«
»In die Buchhandlung in der Innenstadt«, rief sie ihm über die Schulter hinweg zu. An der Schwelle blieb sie noch einmal kurz stehen. »Sie haben mir ein Buch zurückgelegt. Nachdem ich mit der Fibroblastenkultur fertig war, habe ich angefangen, mich mit dem Turiner Grabtuch zu beschäftigen. Ich bin sehr froh, dass ich mich damit beschäftigen kann. Das Grabtuch erweist sich als sehr viel interessanter, als ich gedacht habe.«
»Was hast du herausgefunden?«
»Gerade so viel, dass ich jetzt mehr wissen will. In vierundzwanzig Stunden bekommst du einen vollständigen Bericht.«
Daniel lächelte, reckte Stephanie die nach oben gestreckten Daumen entgegen und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu. Über eine Suchmaschine erhielt er eine Liste verschiedener reproduktionsmedizinischer Kliniken, darunter auch die Homepage der Wingate Clinic. Nach ein paar Mausklicks hatte er sie auf dem Schirm. Er blätterte die ersten Seiten durch. Sie waren, wie nicht anders zu erwarten, voll mit lobenden und anerkennenden Äußerungen, die das Interesse potenzieller Klienten wecken sollten. Er klickte auf UNSERE BELEGSCHAFT und las sich die Karrierestationen des Führungspersonals durch. Da waren der Gründer und Generaldirektor der Einrichtung, Dr. Spencer Wingate; der Leiter der Forschungs-und Laborabteilung, Dr. Paul Saunders; sowie die Leiterin des Klinikbetriebs, Dr. Sheila Donaldson. Die Lebensläufe waren von gleicher Strahlkraft wie die Beschreibungen der Klinik, obwohl alle drei aus Daniels Perspektive eher zweit-oder sogar drittklassige Institute besucht und Ausbildungen durchlaufen hatten.
Am Ende der Seite fand er, wonach er gesucht hatte: eine Telefonnummer. Dort stand zwar auch eine E-Mail-Adresse, aber Daniel wollte direkt mit einem der Leiter sprechen, entweder mit Wingate oder mit Saunders. Er griff zum Hörer und wählte. Schon nach wenigen Sekunden meldete sich eine angenehme Frauenstimme und fragte ihn, nach einer kurzen, mechanisch heruntergeleierten Lobeshymne auf die Klinik, mit wem sie ihn verbinden sollte.
»Dr. Wingate«, sagte Daniel. Wenn schon, dann konnte er es auch ganz oben probieren.
Nach einer kurzen Pause wurde Daniel mit einer anderen, ähnlich angenehm klingenden Frau verbunden. Sie fragte Daniel höflich nach seinem Namen, bevor sie verraten wollte, ob Dr. Wingate zu sprechen war. Nachdem sie Daniels Namen gehört hatte, reagierte sie sofort.
»Dr. Lowell von der Harvard University?«
Daniel hielt kurz inne, als müsste er sich die Antwort erst überlegen. »Ich war in Harvard, aber im Augenblick habe ich eine eigene Firma.«
»Ich verbinde Sie mit Dr. Wingate«, sagte die Sekretärin. »Ich weiß, dass er schon eine Zeit lang auf Ihren Anruf wartet.«
Nach einem ungläubigen Blinzeln nahm Daniel den Telefonhörer vom Ohr und schaute ihn einen Augenblick lang an, als könnte er ihm die überraschende Reaktion der Sekretärin erklären. Wieso sollte Spencer Wingate auf seinen Anruf warten? Daniel schüttelte den Kopf.
»Guten Tag, Dr. Lowell!« Die
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