Die Operation
worden sind, dessen Spektralsignatur mit der von Kalksteinproben aus antiken Gräbern in Jerusalem identisch ist.«
Stephanie lachte. »Die Begeisterung für die eher obskuren wissenschaftlichen Details überlasse ich dir. Daran kann ich mich nicht einmal mehr erinnern.«
»Es wäre schon ziemlich gewagt, anzunehmen, dass ein französischer Fälscher aus dem dreizehnten Jahrhundert sich die Mühe gemacht hat, solche Steinchen zu besorgen und sie auf sein angebliches Werk zu streuen.«
»Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.«
»Ein weiterer interessanter Punkt ist der: Die Lebensräume der drei Pflanzenarten, deren Pollen am häufigsten auf dem Grabtuch vertreten sind, überschneiden sich in einem Bereich, der die dreißig Kilometer zwischen Hebron und Jerusalem umfasst. Das würde bedeuten, dass das Tuch wahrscheinlich aus dieser Gegend stammt.«
»Seltsam, nicht wahr?«
»Das ist mehr als seltsam«, entgegnete Daniel. »Ob das Grabtuch wirklich das Leichentuch Jesu Christi gewesen ist oder nicht, das ist damit sicherlich nicht bewiesen - und kann wohl nie bewiesen werden, wenn ich das sagen darf -, aber nach meinem Dafürhalten stammt es aus Jerusalem und hat einen Mann eingehüllt, der auf antike, römische Weise gegeißelt worden ist, dem die Nase gebrochen wurde, der Dornenwunden auf seinem Kopf hatte und der gekreuzigt und an der Brust mit einer Lanze verletzt wurde.«
»Was sagst du zum historischen Aspekt?«
»Gut dargestellt und überzeugend«, sagte Daniel anerkennend. »Nach der Lektüre lässt sich die Theorie, dass das Turiner Grabtuch und das Edessa-Tuch identisch sind, nicht mehr von der Hand weisen. Besonders faszinierend fand ich, wie die Falten des Tuches zur Erklärung dafür herangezogen werden, dass auf dem Tuch in Konstantinopel nur der Kopf Jesu erkennbar war, entsprechend der üblichen Beschreibungen des Edessa-Tuchs, oder aber Jesu Körper in Vorder-und Rückenansicht, wie es der Kreuzfahrer Robert de Clari schildert. Er war es ja auch, der das Tuch kurz vor seinem Verschwinden während der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204 noch gesehen hat.«
»Und das bedeutet, dass die C-14-Datierung falsch ist.«
»Richtig, so unerfreulich das für mich als Naturwissenschaftler auch sein mag.«
Sie hatten kaum ihren Orangensaft bekommen, da leuchteten schon wieder die Zeichen zum Anschnallen auf und die Piloten teilten mit, dass sie nunmehr den Landeanflug auf den Turiner Aeroporto Caselle einleiteten. Da das Flugzeug sehr voll war, dauerte das Aussteigen und der Weg durch das Flughafengebäude bis zu ihrem Gepäckband fast so lange wie der ganze Flug.
Während Daniel auf ihre Taschen wartete, entdeckte Stephanie den Stand eines Mobilfunkbetreibers und ging hinüber, um sich ein Handy zu mieten. Vor ihrer Abreise aus Boston hatte sie erfahren, dass ihr US-Handy zwar auf den Bahamas, nicht aber in Europa funktionieren würde. Da sie aber unter keinen Umständen riskieren wollte, dass ihr eine EMail von Butler entging, brauchte sie auch während ihres Aufenthalts in Europa ein Handy. Sie wollte so bald wie möglich die Einstellungen ändern, sodass Butlers E-Mails an beide Nummern gemeldet wurden.
Sie schlüpften in ihre Mäntel, verließen mit dem Gepäck im Schlepptau das Flughafengebäude und stellten sich in die Schlange am Taxistand. Während sie warteten, bekamen sie einen ersten Eindruck vom Piemont. Im Westen und Norden waren schneebedeckte Berggipfel zu sehen. Im Süden, über dem Industriegebiet von Turin, hing ein dunkelroter Nebelschleier. Es war kühl und das Wetter unterschied sich nicht wesentlich von den Verhältnissen in Boston bei ihrer Abreise. Das war eigentlich auch nicht anders zu erwarten gewesen, da die beiden Städte ungefähr auf dem gleichen Breitengrad lagen.
»Ich hoffe, es tut mir nicht noch Leid, dass wir uns kein Auto gemietet haben«, sagte Daniel, während er zusah, wie ein volles Taxi nach dem anderen die Straße entlangraste.
»Im Reiseführer steht, dass man in der Innenstadt überhaupt nicht parken kann«, erinnerte ihn Stephanie. »Außerdem sollen die Italiener zwar sehr schnell fahren, aber auch sehr gut.«
Als sie schließlich unterwegs waren, hielt Daniel sich krampfhaft fest, während der Fahrer sich bemühte, Stephanies Beschreibung möglichst nahe zu kommen. Das Taxi war ein postmoderner, kantiger Fiat, der wie eine Kreuzung aus Geländewagen und Kompaktauto aussah.
Zu Daniels Bedauern reagierte der Wagen bemerkenswert schnell auf
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