Die Operation
ausgemalt, dass ich mich verpflichtet gefühlt hab, etwas davon weiterzugeben. Die Hälfte des Geldes stammt von den Castigliano-Brüdern.«
»Das hast du mir nie erzählt!«
»Dafür sage ich’s dir jetzt.«
»Wer sind die Castigliano-Brüder?«
»Geschäftspartner. Und ich verrate dir noch etwas. Wenn sie hören, dass ihre Kapitalanlage den Bach runtergeht, dann wird ihnen das nicht gefallen. So etwas sind sie nicht gewöhnt. Als dein Bruder ist es, glaube ich, meine Pflicht, dir zu sagen, dass du lieber nicht auf die Bahamas fahren solltest.«
»Aber das müssen wir.«
»Das hast du schon mal gesagt, aber den Grund willst du mir nicht verraten. Dadurch bin ich gezwungen, mich zu wiederholen: Du und dein Harvard-Freund, ihr solltet lieber hier bleiben und euren Laden wieder in Ordnung bringen, weil es sonst nämlich ganz danach aussieht, als wolltet ihr euch mit unserem Geld ein schönes Leben in der Sonne machen, während wir Idioten uns hier in Boston den Arsch abfrieren.«
»Tony«, sagte Stephanie so ruhig und so überzeugend, wie es ihr nur möglich war. »Wir fahren nach Nassau und wir kümmern uns dort um eine Lösung für diese bedauerlichen Schwierigkeiten.«
Tony warf die Arme in die Höhe, die Handflächen nach oben gerichtet. »Ich hab’s probiert! Bei Gott, ich hab’s wirklich probiert!«
Dank der Servolenkung konnte Tony seinen schwarzen Cadillac DeVille mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand steuern. Es war ein milder Abend, und so hatte er das Fenster geöffnet und ließ die linke Hand mit der Zigarette nach draußen baumeln. Als er auf den Parkplatz vor dem Firmengebäude des Sanitär-und Installationsfachhandels der Brüder Castigliano fuhr, wurde das Autoradio vom charakteristischen Knirschen der Reifen auf dem Kiesbelag übertönt. Das Gebäude war ein grauer, einstöckiger Klinkerbau, dessen Rückseite an ein Sumpfmoor grenzte.
Tony hielt neben drei anderen Wagen an, die seinem sehr ähnlich sahen. Alle drei waren Cadillacs und alle drei waren schwarz. Er schnippte seine Zigarette in einen Stapel mit rostigen Spülbecken und schaltete den Motor aus. Beim Aussteigen stieg ihm der unangenehme Geruch des salzigen Sumpflandes in die Nase. Es wurde jetzt schnell dunkel und der Wind kam aus östlicher Richtung.
Die Fassade des Gebäudes musste dringend gestrichen werden. Neben den Blockbuchstaben des Firmennamens zierten zahlreiche Graffiti die Hauswand. Die Tür war offen und Tony trat wie immer ohne anzuklopfen ein. Mitten im Raum stand ein Verkaufstresen, dahinter erstreckten sich Regalreihen, die vom Boden bis zur Decke mit Klempnerbedarf gefüllt waren. Kein Mensch war zu sehen. Ein Radio auf dem Tresen spielte Musik aus den Fünfzigerjahren.
Tony umrundete den Tresen und ging den Mittelgang hinunter. Am hinteren Ende öffnete er eine zweite Tür, die in einen Büroraum führte. Im Vergleich zum Verkaufsraum sah dieses Zimmer noch relativ vornehm aus. Auf einem abgetretenen Orientteppich standen ein Ledersofa und zwei Schreibtische. Durch die kleinen Fenster konnte man die von Röhricht umgebenen Moorflächen sehen. Vereinzelt lagen weggeworfene Autoreifen und anderer Müll herum. Drei Männer saßen in dem Zimmer: einer hinter jedem Schreibtisch und einer auf dem Sofa.
Tony schüttelte zuerst den beiden Männern an den Schreibtischen die Hand und dann dem auf dem Sofa. Dazu murmelte er einige knappe Begrüßungsworte. Die Männer an den Schreibtischen waren die Castigliano-Brüder. Sie waren Zwillinge und hießen Sal und Louie. Tony kannte sie schon seit der dritten Klasse, auch wenn sie damals nicht befreundet gewesen waren. An der High School waren sie zwei dürre, pickelige Jungen gewesen, die von den anderen gnadenlos gehänselt wurden, und auch im Erwachsenenalter waren sie noch hager, mit eingefallenen Wangen und tief liegenden Augen.
Der Mann auf dem Sofa, der neben Tony saß, war Gaetano Baresse. Er war in New York aufgewachsen und hatte die gleiche Statur wie Tony, nur größer und kräftiger. Normalerweise stand er hinter dem Tresen draußen im Verkaufsraum, aber nebenbei war er der verlängerte Arm der Zwillinge. Die meisten Leute dachten, dass er dazu da war, die Zwillinge für all die Hänseleien, denen sie in der Schule ausgesetzt gewesen waren, zu entschädigen, aber Tony wusste es besser. Gaetanos starke Arme wurden gelegentlich im Rahmen der geschäftlichen Aktivitäten der Zwillinge benötigt. Manche davon waren legal, andere jedoch weniger, und im
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