Die Operation
Michael tat es ihm gleich.
Er bog ab und blieb stehen. Vorsichtig lugte er zurück. Er sah, wie der Page noch einmal anklopfte und dann einen Schlüsselring hervorholte. Er schloss die Tür auf und verschwand für einen Augenblick. Dann tauchte er ohne Blumen wieder auf und pfiff dabei vor sich hin. Er schloss die Tür ab und ging zurück zum Fahrstuhl.
Als der Page verschwunden war, ging Michael zurück zum Zimmer 408. Er rechnete nicht damit, dass die Ture offen war, und er behielt Recht. Dann blickte er den langen Flur entlang und entdeckte einen Wagen mit Reinigungsutensilien. Michael holte tief Luft und blies die Backen auf, um sich Mut zu machen. Er ging auf den Wagen zu, der neben einer Tür stand, die durch einen Keil offen gehalten wurde.
Vorsichtig klopfte Michael an die offene Tür. »Scusi!«, sagte er. Da hörte er, dass im Hintergrund ein Fernseher lief. Er trat ein und sah zwei Frauen mittleren Alters in braunen Putzuniformen das Bett machen.
»Scusi!«, wiederholte Michael, dieses Mal deutlich lauter.
Für die Frauen war das wie ein Schock. Beide wurden erkennbar blass. Eine fing sich zumindest so weit wieder, dass sie zum Fernseher rannte und ihn ausschaltete.
In seinem besten Italienisch bat Michael die Frauen um Hilfe. Er sagte, er hätte seinen Schlüssel in Zimmer 408 liegen lassen und müsse dringend telefonieren. Ob sie vielleicht so freundlich wären, ihm die Tür aufzuschließen, damit er nicht zur Rezeption hinunter musste?
Die Frauen tauschten verwirrte Blicke aus. Michael brauchte einen Augenblick, bis er begriffen hatte, dass sie nur sehr schlecht italienisch sprachen. In langsamen, deutlichen Worten wiederholte er sein angebliches Anliegen noch einmal. Dieses Mal verstand eine der beiden Frauen, was er wollte, und hielt ihren Generalschlüssel in die Höhe. Michael nickte.
Als wollte sie die Kommunikationsschwierigkeiten wettmachen, schob sich die Frau an Michael vorbei und rannte praktisch den Flur hinunter. Michael musste selbst laufen, um Schritt halten zu können. Sie schloss das Zimmer 408 auf und hielt ihm die Tür auf. Michael bedankte sich und trat über die Schwelle. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Michael stieß den Atem aus. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er die Luft angehalten hatte. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Tür und blickte sich suchend um. Die Vorhänge waren aufgezogen und es war hell im Zimmer. Sie hatten mehr Gepäck dabei, als er erwartet hatte, auch wenn alles bis auf zwei Koffer noch ungeöffnet war. Leider war weder auf der Kommode noch auf dem Schreibtisch oder auf den Nachttischchen eine silberne Schachtel zu sehen.
Michael konnte fühlen, wie sein Puls raste. Außerdem schwitzte er heftig. »Ich kann das nicht«, flüsterte er. Er wollte nur noch die silberne Schachtel finden und verschwinden. Es bedurfte all seiner Willenskraft, im Zimmer zu bleiben.
Er stieß sich von der Türe ab und ging als Erstes zum Schreibtisch. Zwischen zwei Laptop-Taschen lag ein Schreibblock und darauf, genau in der Mitte, ein Zimmerschlüssel für die 408. Michael zögerte einen Augenblick, dann steckte er ihn ein. Hastig durchsuchte er die Laptop-Taschen: keine Silberschachtel. Die Schreibtischschubladen waren schnell kontrolliert. Sie enthielten nichts außer Hotelbriefpapier. Als Nächstes kam er zu der Kommode. Er entdeckte lediglich ein paar Wäschereizettel und Wäschetüten aus Plastik. Auch die kleinen Schubladen an den Nachttischchen waren leer. Dann schaute er in den Schrank, entdeckte einen Safe und stieß erleichtert den Atem aus. Die Tür stand offen und der Safe war leer. Schließlich durchsuchte er die Taschen eines Männerjacketts, das auf einem Kleiderbügel hing: Nichts!
Daniel drehte sich um und näherte sich den geöffneten Koffern. Sie lagen auf Gepäckständern am Fuß des Bettes. Er hob die Deckel und ließ die Hand an den Rändern entlanggleiten. Dabei stieß er auf die unterschiedlichsten Dinge, aber nicht auf die Silberschachtel. Dann hob er vorsichtig die Kleider an, um etwas gründlicher zu suchen. Plötzlich hörte er Stimmen und zu seinem Entsetzen klangen sie wie amerikanisches Englisch. Wie angewurzelt verharrte er an seinem Platz. Im nächsten Augenblick hörte er das schlimmste Geräusch, das er sich vorstellen konnte. Ein Schlüssel wurde ins Türschloss gesteckt!
Kapitel 12
Montag, 25. Februar 2002, 15.45 Uhr
»Was, um alles in der Welt.?«, sagte Stephanie. Sie stand auf der Türschwelle. Daniel blickte ihr über
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