Die Opferstaette
gemacht.«
»Sie meinen, er ist schwul?«
»Jede Wette.«
Laut Barry McGann war Michael auf Lena scharf gewesen. Und in der Polizeiakte stand, dass er ihr das Armband geschenkt hatte. Warum gab man sich solche Mühe, ihn als heterosexuell hinzustellen?
Kendrick räumte unsere Teller ab und holte eine Packung Schokoladeneis aus dem Kühlschrank.
Während wir das Eis aßen, bemerkte ich, dass mein Handy blinkte. Ich hatte es auf stumm gestellt.
»Was ich Sie noch fragen wollte«, sagte Kendrick und kratzte den letzten Rest Eiscreme aus seiner Schüssel. »Was war mit den anderen Inschriften in der Höhle, von dem Ogam abgesehen? Können Sie sich an die noch erinnern?«
»Damit habe ich kein Problem, denn es war die übliche Art von Formulierung auf Steinmonumenten jener Zeit.«
»Zum Beispiel?«
»Ich zeige es Ihnen.«
Ich stellte meine Schale beiseite, holte Skizzenbuch und Stift hervor und begann zu schreiben. »Das hier war an der Decke, neben einem Kreuz.« Ich hielt es ihm hin.
»DNE?«
»Ja. Und die hier fanden sich an der rückwärtigen Wand der Höhle.« Ich schrieb OR DO CDHE.
»Ich versuche es lieber nicht auszusprechen. Was bedeutet das?«
»Es ist ein bisschen wie SMS, unter gleichzeitiger Verwendung von Latein und Irisch.«
»Und was sagt es uns?«
»DNE ist eine Zusammenziehung von ›Domine‹, ist gleich ›Herr‹, es ist also ein Gebet zu Gott. OR ist kurz für ›Oroit‹, was ›beten‹ bedeutet, und DO heißt ›für‹. Die Inschrift fordert uns also auf, für die Person zu beten, die im dritten Wort des Satzes genannt wird.« Ich deutete auf die Buchstaben CDHE. »Ich bin mir fast sicher, das lässt sich zu CAOIDHE strecken, dem Heiligen, nach dem Kilkee benannt ist – ›Kil‹ bedeutet ›Kirche‹, und ›Kee‹ ist die englische Version seines Namens.« Ich schrieb den Satz aus: ORoit DO CaoiDHE.
»Betet für Kee«, sagte Kendrick. »Ganz exakt.«
»Was ich wirklich interessant finde, ist, dass nie Reste einer Kirche oder eines Klosters, die mit dem Gründungsheiligen in Zusammenhang stehen, in der Gegend gefunden wurden.«
»Bis jetzt jedenfalls.«
Ich legte den Block beiseite und aß mein Eis auf. Während Kendrick Tee machte, warf ich einen Blick auf mein Handy. Es gab mehrere Anrufe von Muriel Blunden.
»Entschuldigen Sie mich kurz«, rief ich Kendrick zu.
»Was treiben Sie«, sagte Muriel zur Begrüßung. »Ich versuche die ganze Zeit, Sie zu erreichen.«
»Ich sitze gerade mit jemandem beim Abendessen.«
»Da haben Sie es besser erraten als ich. Bei mir ist es bei einem Drink geblieben. Beim zweiten Glas Wein fing er an, vom mangelnden Interesse seiner Frau an Sex zu sprechen. Also habe ich ihn zu ihr nach Hause geschickt. Wie sich herausstellte, kannte er jedoch die Namen der Investoren, die diese Ferienhäuser am George’s Head gebaut haben – und eine Menge anderer an der Westküste, wie es aussieht.«
»Aha.«
»Sie waren zu fünft in der HFH-Partnerschaft. Drei der Namen sagten mir nichts, aber zwei kannte ich sehr wohl. Und das waren – passen Sie auf – Theo Mahon und Gus Carmody.«
Bumm. Es traf mich wie ein gut gezielter Faustschlag.
»Na, das ist mal eine Überraschung. Oder auch nicht. Danke für die Mitteilung, Muriel. Ach ja, da ist noch etwas, das Sie wissen sollten. HFH hat diese Plakette auf dem Hügel nie angebracht. Sie werden sie das sicherlich korrigieren lassen. Ich bin wie gesagt in Gesellschaft, deshalb mache ich für den Augenblick Schluss.« Ich schaltete das Handy aus.
Theo Mahon und Gus Carmody. So, so.
Ich sah es deutlich vor mir. Nicht zwei namenlose Männer, die sich an einem Tisch verschwören, sondern der Eigentümer des Restaurants, der einen Plan mit seinem besten Kunden schmiedet. Es würde erklären, warum Lena Morrison gezögert hatte, sie zu nennen. Der eine war ihr Arbeitgeber und der andere dessen Schwager.
48
A ls ich am nächsten Morgen bei Tagesanbruch am Haus der Costellos vorbeikam, fiel mir ein, dass sich Senan noch nicht gemeldet hatte, um mir zu sagen, wie viel ich ihm schuldete. Ich würde ihn später daran erinnern, wenn ich mit der Schokolade für Marion vorbeischaute.
Während der ganzen unruhigen Nacht hatten mich die Folgerungen daraus beschäftigt, dass Theo Mahon und Gus Carmody die Bauherren waren, die höchstwahrscheinlich den Abriss der Klosterstätte organisiert hatten. Wie weit wären sie wohl gegangen, um ihre Aktivitäten geheim zu halten? Es erschien mir als zu großer Zufall, dass
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