Die Opferstaette

Titel: Die Opferstaette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne

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wird das in keinen Quellen erwähnt.«
    »Mag sein, aber hier gibt es eine von Westropp dokumentierte Geschichte, die zu einer Zeit stattgefunden haben muss, als der Abstand noch nicht so groß war wie jetzt.« Er blätterte in dem Buch, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. »Sie erklärt auch, wie die Insel zu ihrem Namen kam.« Er ließ die Augen über eine Seite wandern. »Anscheinend hortete ein gieriger Bischof in einer schweren Hungersnot einen Lebensmittelvorrat für sich selbst auf der Insel, indem er die Lücke auf einer Planke überquerte, die er hinter sich auf die Insel zog, damit niemand sonst hinüberkam. Doch in der Nacht brach ein Teil der Insel ab und stürzte ins Meer, und am Morgen fand er den Rückweg abgeschnitten.« Kendrick lugte zu mir herüber. »Sie können sich also denken, was passiert ist …«
    »Er ist verhungert«, sagte Sarah ungeduldig. »Warum hat er nicht versucht, nach unten zu klettern …« Sie zeigte zur am wenigsten steilen Seite der Insel. »Da drüben, zum Beispiel.«
    »Dann hätte er schwimmen müssen, und das konnte er vermutlich nicht«, sagte ich.
    »Ach so.« Der Gedanke war ihr offenbar nicht gekommen.
    »Und es könnte steiler gewesen sein, als es jetzt ist«, fügte Kendrick an. »Wahrscheinlich ist sie mit der Zeit verwittert. Aber wir wissen immer noch nicht, wann das Ereignis stattfand … es sei denn – ich habe eine Idee.« Er suchte eifrig nach einer anderen Stelle in Westropps Buch. »Ich hab’s. Hier steht,
dass in den Annalen der vier Meister, der mittelalterlichen Chronik Irlands, ein Tsunami an der Küste von Clare im Jahr 804 verzeichnet ist, es könnte also dabei passiert sein.«
    »Ein Tsunami?«, fragte Sarah skeptisch.
    »Sie haben es natürlich nicht so genannt«, sagte er. »Aber es ist von einem Erdbeben die Rede und dass das Meer anstieg und das Land überflutete. Eintausendzehn Menschen ertranken. Und das noch dazu am Abend vor St. Patrick.«
    »Die Verfasser dieser Annalen waren auf ihre Weise gern sehr genau«, sagte ich.
    Kendrick lachte. »Vielleicht ist das also in der Nacht passiert, als der Bischof die Planke wegnahm. Man kann sich vorstellen, was ihm durch den Kopf gegangen ist, als er die Welle kommen sah. Sicher dachte er, Gott habe die Sache persönlich genommen.«
    Ich lächelte.
    »Glauben Sie, dass die Insel noch von Mönchen bewohnt war, nachdem sie vom Festland getrennt wurde? Und war es wirklich ein Kloster oder nur eine Einsiedelei – ein, zwei Mönche, die für sich allein da draußen lebten?«
    »Na ja, wenn man bedenkt, dass es auf Skellig Michael dort unten«, ich zeigte in Richtung Kerry, »mindestens sechs dieser Bienenkorbhütten, zwei Kapellen, einen Garten und einen Friedhof gab. Eine kleine Gemeinde auf sehr viel weniger Fläche.«
    »Wir waren drüben auf Skellig Michael, nicht wahr, Sarah? Erinnerst du dich noch an die Lunde?«
    »Hm«, sagte Sarah. Sie fummelte an den Ärmeln ihrer Strickjacke herum. Wahrscheinlich war ihr zu heiß.
    Ein langschnäbliger Tölpel segelte zwischen uns und der Insel vorbei. Er hielt inne, faltete sich dann zusammen wie ein Papierflieger und schoss in die Tiefe. Kendrick und ich beobachteten,
wie er ins Meer tauchte und unter Wasser seine Beute verfolgte.
    »Eine Sache ist mir an den Klippen hier in der Gegend aufgefallen«, sagte Kendrick dann. »Die Vogelwelt ist spärlicher, als ich erwartet hatte.«
    »Das liegt daran, dass die Schiefer zu schnell verwittern, um große Kolonien zu tragen. Aber in der Brutzeit sieht man wahrscheinlich Lunde auf der Insel brüten. Und gerade jetzt fliegen Tausende von Seevögeln auf ihrem Weg ins Winterquartier an der Halbinsel vorbei, für Vogelbeobachter gibt es also genug zu sehen.«
    Sarah schob plötzlich ihr Kleid bis an die Oberschenkel hoch, damit ihre Beine etwas Sonne abbekamen. »Das war verrückt – die Sache mit der Möwe vorhin«, sagte sie.
    Offenbar langweilte sie die Unterhaltung allmählich. Vielleicht, weil Giles daran interessiert war? Er schien ein ganz angenehmer Mensch zu sein, während sie launenhaft und egozentrisch wirkte.
    Ich sagte nichts.
    »Wenn man die Geschichte bedenkt«, fuhr sie fort.
    Ich schenkte ihr widerwillig meine Aufmerksamkeit. »Welche Geschichte?«
    »Von dem Schiffsuntergang.«
    »Die Intrinsic , meinen Sie?«
    »Ja. Und diese Möwe heute …«
    »Ach, Sarah, die ist einfach nur im Aufwind gesegelt«, unterbrach Kendrick. »Daran ist nichts Außergewöhnliches.«
    »Außer dass wir beim Einparken