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Die Opferstaette

Die Opferstaette

Titel: Die Opferstaette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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im Wagen davon gesprochen haben. Und du weißt sehr wohl, dass die Geschichte Charlotte fasziniert hat. Und dann werde ich von jemandem gerettet, der nicht größer ist als sie. Du musst zugeben, das ist sehr merkwürdig.«

    »Wer ist Charlotte?«, fragte ich, in der Hoffnung, dann mehr zu verstehen.
    »Charlotte Brontë«, antworteten sie unisono.
    »Die von Jane Eyre ?«
    »Ja«, sagte Sarah.
    »Sarah forscht ein wenig über Charlottes Aufenthalt in Kilkee. Die Schriftstellerin kam auf ihrer Hochzeitsreise hierher, müssen Sie wissen. 1854.«
    »Und starb im darauffolgenden Jahr«, sagte Sarah.
    »Ja. Eine sehr traurige Geschichte«, sagte Kendrick. »Sie war schwanger geworden. Aber sie hatte Tuberkulose, und es gab Komplikationen …« Er seufzte. »Jedenfalls schrieb sie einen Brief nach Hause an ihren Vater, während sie in Kilkee war. Der Brief befindet sich jetzt in der Westropp-Sammlung in der Bibliothek von Ennis. Dort haben wir auch das hier gefunden.« Er gab Sarah das Buch zurück, die es wieder in ihre Tasche steckte.
    »Wie kam Westropp in den Besitz dieses Briefs?«
    »Das ist kompliziert«, erwiderte Sarah. »Zunächst einmal war Charlotte vom Schicksal der Intrinsic sehr berührt, weil ihr Mann, ein Geistlicher, einen der Passagiere gekannt hatte – Reverend Sydney Hutchinson. Er und seine neue Frau Matilda waren auf dem Weg nach New Orleans, um der wachsenden Bevölkerung dort ihre seelsorgerischen Dienste anzubieten. Und sie brachten ihre eigene Kirche mit.«
    »Aber ich habe gehört, es seien weniger als zwanzig Menschen an Bord gewesen, hauptsächlich Besatzungsmitglieder.«
    Sarah schnaubte. »Nein, ich meine eine Kirche – das Gebäude selbst.«
    »Es war eine Eisenkirche«, erklärte Kendrick. »Eine gusseiserne. Eine Art früher Fertigbau, nehme ich an. Der Rahmen, aber auch die Säulen, Geländer und Verzierungen waren aus
Eisen vorgefertigt. Und für New Orleans war eine vorgefertigte Kirche ideal, weil es schwierig ist, dort vernünftige Fundamente zu graben … wegen des hohen Wasserspiegels und allem.«
    »Und die beiden waren das Paar, das angeblich eng umschlungen ertrunken ist«, sagte ich.
    »Ja. Aber um die Geschichte zu beenden …«, sagte Sarah, »… man hat Charlotte erzählt, eine Möwe sei damals in die stürmische See hinabgestoßen und habe einen von Matildas lavendelblauen Handschuhen mit dem Schnabel aufgepickt. Den Handschuh, mit dem sie den Leuten auf dem Lookout Cliff Lebewohl gewunken hatte. Dann stieg die Möwe über die Zuschauermenge auf und ließ ihn auf sie fallen.«
    Wir saßen eine Weile schweigend da.
    »Das ist unser letzter Tag hier«, verkündete Sarah.
    »Morgen fahren wir in einen Ort namens Banagher«, sagte Kendrick.
    »Im County Offaly?«, fragte ich. »Das liegt nicht gerade auf der üblichen Touristenroute.«
    »Es hat wieder mit den Brontës zu tun«, sagte Sarah. »Charlottes Gatte, der Reverend Arthur Nicholls, war familiär mit Banagher verbunden. Nach dem Tod von Charlottes Vater kehrte Nicholls nach Irland zurück und wohnte in Banagher, bis er 1906 starb. Nicht lange vor seinem Tod gab er Charlottes Brief an ihren Vater an Thomas Westropp weiter.«
    »Weil er sich auf die Intrinsic bezog?«
    »Ja, und auf andere Dinge«, sagte sie. »Nicholls dachte, das müsste einen Altertumsforscher in diesem Teil von Clare interessieren. Aber Westropp schien ihm nicht viel Beachtung geschenkt zu haben. Er schrieb dazu nur eine Randnotiz: ›Viele heidnische Rituale sind bis heute in Clare erhalten geblieben. ‹«

    »Wissen Sie, was Westropp meinte?«
    »Bis zu einem gewissen Grad. Ich bin nach Kilkee gekommen, um einige der unklaren Stellen in dem Brief zu klären.«
    »Und?«
    »Ich glaube, ich habe herausgefunden, was den Schiffbruch der Intrinsic verursacht haben könnte«, sagte sie und schaute in die Richtung der Bucht zurück. »Es hatte mit einem Stein zu tun …«
    Sie merkte, dass ich ihrem Blick folgte.
    »Entschuldigen Sie, ich muss mir nur rasch etwas ansehen.« Ich stand auf und richtete das Fernglas aufs Meer, etwa auf halbe Entfernung zwischen uns und dem Riff. Ein rotblaues RIB bog in die Bucht ein. Mahon und seine Mannschaft machten sich an die Arbeit.
    Ich ließ das Fernglas wieder sinken.
    Sarah zupfte am Ärmel ihres Begleiters. Sie wurde allmählich ungeduldig.
    »Ich sollte Ihnen eine Kopie von Charlottes Brief geben«, sagte sie unverbindlich, dann stand sie auf und staubte die Rückseite ihres Kleids ab. »Dann würden Sie

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