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Die Opferstaette

Die Opferstaette

Titel: Die Opferstaette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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Straße zurückgelaufen. Es war schon zu dunkel, um den Pfad zu gehen.«
    »Sie sind gestern Abend zu den Klippen hinaufgegangen?«
    »Es war noch hell, als ich aufgebrochen bin.« Ich wollte es nicht weiter vertiefen. »Hey, das ist ja fantastisch …«
    McGann flog jetzt ziemlich tief, sodass mir die hohe Geschwindigkeit bewusst wurde, mit der wir unterwegs waren. Plötzlich schossen wir über die sechzig Meter hohen Klippen hinaus und begannen, die Intrinsic Bay zu überqueren. Es war im Wortsinn atemberaubend. Und von diesem Aussichtspunkt aus sah man, wie die Klippen mit zahlreichen Löchern und Höhlen durchsetzt waren; einige davon gingen geradewegs durch den Fels und bildeten Bogen.

    Als wir wieder landeinwärts flogen, sah ich grüne Wiesen unter einem klaren blauen Himmel, die dunklen Klippen und Landspitzen stachen deutlich aus dem Meer, das jetzt wie ein Saphir funkelte. Aber etwas war merkwürdig an dieser markanten Trennung von Meer und Küste. Es war nicht nur die veränderte Perspektive. Was war anders?
    Dann dämmerte es mir. Wahrscheinlich zum ersten Mal in meiner Erfahrung fehlte der spitzenartige Besatz aus Gischt entlang der Felsküste der Halbinsel. Anstelle von Wellen, die sich an den Klippen brachen, säumte ein Streifen hell gefärbter Felsen den Wasserrand. Wie McGann gesagt hatte, war die Ebbe niedriger als gewöhnlich und legte die unterseeische Küstenlinie frei.
    Entlang der Klippen in der Intrinsic Bay war auf dem Streifen zwischen Wasser und Land eine weitere Linie aufgetaucht: ein glänzender Besatz aus selten freiliegendem Seetang, der von den Felsen hing. Es gab nur eine Abweichung von seiner horizontalen Linie: Nicht weit vom Fuß des Lookout Cliffs hing ein Vorhang aus Seegras wie die Stangen eines Fallgitters an dem aufwärts strebenden Bogen einer unterseeischen Öffnung.
    Bishop’s Island lag nun vor uns, aber wir schwenkten wieder nach Westen aufs Meer hinaus, wobei McGann die Maschine gleichzeitig höher zog.
    Von oben sah Bishop’s Island wie ein Stück vom Festland aus, das sich gelöst hatte und ein wenig abgetrieben war. Es stand außer Frage, dass es früher eine Landspitze gewesen war, aber natürlich hatte sie sich nicht bewegt – das Meer war zwischen ihr und dem Festland eingedrungen. Und mein Gefühl sagte mir, dass es passiert war, nachdem sich die Mönche dort niedergelassen hatten, nicht vorher. Warum sollten sie einen praktisch unzugänglichen Ort besetzen, der nur einen
Steinwurf vom Land entfernt war, um auf diese Weise extrem abgeschnitten zu sein, während ihnen die erstrebte Abgeschiedenheit gleichzeitig fehlte, da ihr Treiben für jeden sichtbar war, der vorbeikam?
    Früher als erwartet, schwebten wir nur wenige Meter über der Mitte der Insel.
    »Ich habe mich vorhin umgesehen«, sagte McGann. »Direkt unter uns ist ein kahler Fleck. Es ist ein Stück von den Ruinen entfernt, aber ich würde lieber hier landen als auf dem Gras.«
    Damit setzte er den Helikopter auf. Keine drei Minuten später flog er über die Intrinsic Bay zurück. Ich war allein auf Bishop’s Island.
    Von meinem Standpunkt sah es jedoch aus, als ginge das Festland nahtlos weiter. Und von den Klosterruinen war nichts zu sehen. Mein erster Gedanke war, dass McGann einen Fehler gemacht und mich auf einer nahen Landspitze abgesetzt hatte. Dann setzte ich mich in Bewegung, und jetzt fiel mir auch ein, dass die Insel zum Meer hin abfiel. Bald sah ich die Ruinen etwa fünfzig Meter entfernt und dahinter die Klippen, auf denen ich einige Tage zuvor gesessen war.

18
    E ine knappe Stunde später hatte ich eine erste Inspektion der Ruinen abgeschlossen. Die vom Festland aus sichtbaren Gebäude waren eine kleine, aus Trockenstein errichtete Kirche ohne Dach und eine teilweise eingestürzte Bienenkorbhütte. Aus der Nähe betrachtet, erkannte man deutlich, dass die Steinkirche ursprünglich dem berühmten Gallarus-Oratorium in Kerry ähnlich gewesen war, mit seiner Bauweise, die an ein kieloben liegendes Schiff erinnerte. Die Bienenkorbhütte hatte dieselbe Form wie die berühmten Behausungen auf Skellig Michael, aber sie war in einem schlechten Zustand. Wahrscheinlich hatte sie zwei oder drei Mönchen Platz geboten.
    Aber es gab auch Überreste von weiteren Gebäuden und Mauern. Dazu einige aufrecht stehende Grabsteine, eine flache Grabplatte im Innern der Kirche und eine nicht beschriftete Steinsäule gefährlich nahe an der nördlichen Steilwand. Die Menge der Ruinen legte die Vermutung

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