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Die Opferstaette

Die Opferstaette

Titel: Die Opferstaette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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auf den Schultern verstärkte den Eindruck einer Person, die eine Rolle spielte.
    »Gibt es Ihnen das Recht, die Leute anzusprechen, wie Sie wollen, wenn Sie jemanden im Hubschrauber transportieren?«
    »Nein. Ich sage immer und überall, was mir beliebt.«
    »Tja, vielleicht wäre es besser für Sie, Sie würden sich ein paar Umgangsformen aneignen.«
    »Wirklich?« McGann errötete. Mein Stachel hatte gesessen. Vielleicht ist er nicht an Leute gewöhnt, die ihm Widerstand leisten, dachte ich. Es zeigte jedenfalls, dass er unsicher war. »Und hält mein Mangel an Umgangsformen Sie davon ab, mit mir zu fliegen?« Er richtete sich ganz auf, und ich sah, dass er selbst nicht der Größte war, aber er war schlank und wohlproportioniert.
    »Nicht, wenn Sie versprechen, aus meinem privaten Luftraum zu bleiben.«
    Er grinste. »Sie sind ein bisschen eine Schlaumeierin, was?« Er blinzelte. »Aber ich kann munteren Frauen nicht widerstehen. Kommen Sie.«
    Er wies mich an, einen Fuß auf eine Stufe parallel zu den Kufen zu stellen. »Von hier hinten werden Sie eine ungehinderte Aussicht nach allen Seiten haben«, sagte er und half mir in die Kabine, wo es eine Reihe mit vier Sitzen gab. »Und ich komme nicht in Versuchung, meine Hand auf Ihr Knie zu legen.«
    »Ich hatte keine Sightseeingtour vor«, sagte ich kühl.
    »Ich nenne es lieber einen Himmelsritt«, sagte er. »Fünf Minuten, kein Vorspiel.«
    Ich nahm den Sitz am linken Fenster, da die Küstenlandschaft größtenteils von dieser Seite zu sehen sein würde, aber ich konnte auch durch das andere Fenster blicken und ebenso vorn hinaus. Er schloss die Kabinentür, kletterte auf seinen
Sitz und drehte sich um, um mich zu instruieren, wie man Gurt und Kopfhörer benutzte, wie man das Mikrofon bediente und wie man gefahrlos ausstieg.
    Die Rotorblätter begannen sich zu drehen, als ich nach draußen blickte und Michael Carmody bemerkte, der uns ein Stück entfernt beobachtete. McGann bemerkte ihn zur gleichen Zeit und zeigte ihm den erhobenen Daumen. Carmody schüttelte langsam den Kopf, dann wandte er sich wieder in Richtung Restaurant.
    Wir hoben ab, und es schien nur Sekunden zu dauern, bis wir hoch über der Küste waren. Meine Erinnerungen und Bilder vom Vortag verblassten angesichts der Szenerie unter mir – einer vertrauten Landschaft, die durch den Blickwinkel und die Höhe, aus der ich sie sah, fremdartig wirkte. Ich sah, wie sich die Halbinsel von einer Seite zur andern neigte, von den schroffen Höhen der Atlantikküste zu den sanfteren Linien der Flussmündung in der Ferne mit ihrer Kette von kleinen Häfen und Anlegestellen. Dahinter, jenseits der breiten Shannon-Mündung, erhob sich das gebirgige Kerry.
    Wir flogen aufs Meer hinaus und beschrieben dann einen Kreis, und für einen Moment schien ich seitlich hoch über dem Ozean zu hängen. Die Fläche unter mir sah weniger wie gewelltes Wasser aus als wie die mit silbergrauen Rüschen besetzte Haut eines gebratenen Fischs. Es war schwer zu glauben, dass sich darunter das Äquivalent eines zweiten Planeten abspielte.
    McGann flog von Norden her über George’s Head und hielt sich dann parallel zur Küste, mit Kilkee links von uns. Ich verstand auf Anhieb, warum die sandige Bucht ein so ruhiger Hafen war. Sie war das klassische Beispiel eines geschützten Strands, mit einem äußeren und inneren Verteidigungsring; der äußere wurde von den krabbenartigen Zangen von
George’s Head und dem Riff gegenüber gebildet. Dahinter lief die Küstenlinie von beiden Seiten spitz zu, bis sie am Edmond Point auf einer Seite und dem felsigen Bereich rund um den Kai auf der anderen ihre engste Stelle erreichte. Dann öffnete sie sich wieder, um die wie eine Muschel geformte Bucht mit ihrem Strandbogen zu bilden.
    Als wir über das Riff flogen, meldete sich McGann über die Sprechanlage. »Man sieht mehr vom Riff über dem Wasser als sonst. Ein sehr niedriger Gezeitenstand, unterstützt von einem ablandigen Wind.«
    »Hey, ich sehe mein Auto«, sagte ich wie ein leicht abzulenkendes Kind. Es war der einzige Wagen auf dem Parkplatz.
    McGann neigte den Hubschrauber und steuerte auf den Parkplatz zu. Ich fühlte mich wie in einer Szene von Black Hawk Down – eine schwindelerregende Perspektive, die Menschen nur durch die Errungenschaft des Fliegens zugänglich ist.
    »Wie kommt es, dass Sie Ihr Gefährt dort zurückgelassen haben?«, fragte er.
    Ich musste überlegen. »Ich war gestern Abend auf den Klippen und bin über die

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