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Die Opferstaette

Die Opferstaette

Titel: Die Opferstaette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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Tochter?«
    »Ja. Sie ist verheiratet und lebt in Ennis. Ich habe nur die beiden, und Senan wohnt hier, wie Sie wissen. Er hatte bereits einen Job als Taucher auf einem schottischen Ölbohrturm sicher, als mein Mann vor sechs Jahren starb. Senan wollte mich nicht allein hier lassen, deshalb beschloss er, sich selbstständig zu machen und von zu Hause zu arbeiten. Es ist nicht immer so leicht für ihn, aber er wird es schon schaffen.«
    »Davon bin ich überzeugt.« Ich legte Messer und Gabel neben den Teller. Ich hatte etwa ein Drittel meines Frühstücks gegessen. »Das hat mir sehr gut getan. Vielen Dank.«
    Marion stand auf und begann abzuräumen.
    Ich musste etwas mit ihr klären, bevor ich es vergaß. »Als
wir vorhin von dem Gottesstein sprachen, sagten Sie, er wurde versteckt, weil sich jemand schämte für das, was ›sie getan hatten‹. – Wen meinten Sie?«
    »Ich meinte diejenigen, die die Tat begangen haben, und diejenigen, die dazu schwiegen.«
    »Welche Tat? Was haben sie angestellt?«
    »Derry geht gern an sein Grab, ohne dass es jemand weiß. Aber er ist der geborene Geschichtenerzähler, deshalb kann er nicht anders, als es doch halb zu erzählen. Das kann er nur tun, indem er Teile aus verschiedenen Puzzles zusammenzwingt. Aber er vergisst, dass die Wahrheit an jede Generation der Costellos und Gott weiß wie vieler anderer Familien hier in der Gegend weitergegeben wird. Was natürlich bedeutete, dass mein Mann sie erfuhr. Und ehe er starb, hat er sie mir erzählt, damit ich sie an Senan weiterreiche, wenn ich glaubte, er sei verantwortlich genug und in der Lage, sie für sich zu behalten.«
    »Aber Sie haben es noch nicht getan.«
    »Nein, aber das ist eher Zufall als Absicht. Glauben Sie mir, es ist inzwischen keine sehr weltbewegende Nachricht mehr, und ich bin neuerdings der Ansicht, sie sollte einfach bekannt gemacht werden und basta. Außerdem schadet es niemandem mehr, der heute lebt, wenn sie bekannt wird. Wir leben in einer Zeit, in der schuldbeladene Geheimnisse ans Licht gezerrt werden, und das ist auch gut so, finden Sie nicht?«
    Ich sah ihr erwartungsvoll in die Augen und drängte sie lautlos, weiterzusprechen.
    Marion begegnete meinem Blick, überlegte.
    Dann sah sie zur Seite. »Aber da Derry der Ältere in unserer Familie ist, finde ich es fair, wenn ich es ihm überlasse, Ihnen alles zu erzählen.«
    Zurück im Schlafzimmer, setzte ich mich auf den Bettrand
und rieb mir wieder die Wadenmuskeln, als ich etwas auf dem Boden glänzen sah. Ich hob es auf. Es war das Stück Schale, das auf dem Boden der Fischkiste gelegen hatte. Es musste aus dem Handschuh gefallen sein, als ich ihn auszog, auch wenn ich mich daran gar nicht erinnern konnte.
    Ich ging ans Fenster und zog den Vorhang auf. Ich sah, dass die winzigen Härchen an der Außenseite des Bruchstücks getrocknet waren und orangefarben schimmerten. Keine Härchen säumten jedoch die v-förmige Kerbe, die man aus einer der Platten in dem fächerartigen Schwanz eines Hummers geschnitten hatte, wie ich nun erkannte. Die Schnittränder der Einkerbung sahen nicht frisch aus, anders als der Schnitt an der Spitze. Die Schere, die ich gesehen hatte, war dazu benutzt worden, die Platte am Schwanz des Krustentiers zu entfernen.

34
    A ls ich in mein Hotelzimmer hinaufging, fasste ich einen Entschluss: Nie wieder würde ich ohne einen kompletten Satz Kleidung zum Wechseln irgendwohin fahren. Nur ein Reservehöschen in der Handtasche – das gehörte der Vergangenheit an. Von jetzt an würde mich eine komplette Garnitur Ersatzkleidung überallhin begleiten.
    Ich war gewiss von kleiner Statur, aber Breda musste etwa zehn gewesen sein, als sie die dünnen, ausgeblichenen Sachen getragen hatte, in die ich mich unter der Gefahr zwängte, die Blutzufuhr zu wichtigen Körperteilen abzuschnüren. Auf der Fahrt in Marions Wagen hatte ich mit einer Hand am Kragen gezerrt und mit der anderen das Oberteil über einem kleinen Speckröllchen nach unten gezogen, das sich über Nacht um meine Hüfte gebildet hatte. Zu meiner Erleichterung verschwand es wieder, als ich das Unterteil des Trainingsanzugs vom Leib geschält hatte.
    Ich zog meinen Bademantel an und ging auf den Balkon hinaus, um meinen Nassanzug gewendet aufzuhängen. Er würde rasch trocknen in der Brise, die über die Bucht fegte und die hereinbrechenden Wellen mit feinen Sprühnebelfahnen krönte. Die Sonne war zwischen Wolkenfetzen noch zu sehen, aber die Temperatur war um rund fünf Grad

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