Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
Vom Netzwerk:
hatte man enthauptet. Einige waren mit Draht an den Gittern befestigt worden; vermuüich hatten sie noch gelebt, als man begonnen hatte, sie zu rösten.
    Von den Pfannen bis zum Altar waren die zerbrochenen Ziegel mit den Knochen von Kindern übersät. Der Altar selbst verschwand förmlich unter Tausenden von Knochen, die zum Teil noch frisch waren. Einige waren aber auch schon so alt, dass sie teilweise zu Staub zerfallen waren. Es fanden sich Brustkörbe, Beckenknochen, Schenkelknochen, Schulterblätter - und mehr kleine Schädel, als ich zählen konnte.
    Auf diesem Berg lag die groteskeste Kreatur, die ich jemals gesehen hatte. Allein ihr Anblick machte mich schon fast wahnsinnig. Sag, dass das nicht wahr ist, forderte mein Verstand.
    Aber es war nur allzu wahr. Es war eine Frau, eine unglaublich aufgeblähte Frau, die nackt auf einem Stapel aus Decken und blutverschmierten Matratzen lag. Ihr Bauch war eine gewaltige Kugel, und was den Anblick noch schlimmer machte, waren die unablässigen Bewegungen, als sei eine Kreatur in ihrem Bauch gefangen, die unbedingt in die Freiheit gelangen wollte. Auch ihre Brüste waren massiv angeschwollen, während ihr Hals so aufgedunsen war, dass ihr Gesicht einer winzigen Puppenmaske glich.
    Neben ihr kniete eine in schmutzige Lumpen gehüllte Gestalt, von der Kezia Mason angeblich Brown Jenkin bekommen hatte - der König der Docklands-Unterwelt: Mazurewicz. Seine schmierigen bloßen Hände fütterten sie mit Fleisch und Knorpel und lauwarmem Fettgewebe. Sie ließ sich alles in ihren winzigen Mund stopfen und schluckte das meiste unzerkaut, was ihren Bauch nur noch heftiger zucken ließ.
    Der junge Mr. Billings stand nicht weit davon entfernt, trug aber nicht Schwarz, wie sonst üblich, sondern hatte sich ein schlichtes weißes Laken übergeworfen, das ihn wie Marcus Antonius aus Julius Cäsar wirken ließ. Er hielt seine Augen geschlossen und seine Arme erhoben und schrie noch immer diese Gesänge in den Himmel, wieder und wieder.
    »Tekeli-li! Tekeli-li!«
    »Scheiß Hölle«, sagte Miller.
    »Wo ist Danny?«, fragte ich. »Können Sie ihn sehen?«
    Er schob seinen Kopf etwas höher über die Fensterbank.
    »Dort«, sagte er. »In der Ecke, in der Nähe der Wand. Brown Jenkin hat ihn in seiner Gewalt, aber er scheint unverletzt zu sein.«
    »Vielleicht warten sie, bis alle diese armen Kinder gar sind«, erwiderte ich.
    Ich war so verstört von dem, was ich gesehen hatte, dass ich zu Boden blicken und eine Hand gegen meine Stirn pressen musste. Ich wusste nicht, ob ich Angst oder Verbitterung oder Hoffnung oder vielleicht nichts dergleichen spürte.
    Miller senkte den Kopf und kam zu mir herüber. »Hören Sie«, sagte er. »Je schneller wir handeln, umso besser. So wie bei Drogenrazzien. Wir platzen beide herein und schreien wie die Verrückten. Das hilft, um sie zu verwirren. Ich renne nach rechts, als würde ich versuchen, den Kerl in dem weißen Nachthemd auszuschalten, während Sie nach links rennen und sich Danny schnappen. Dann gehen Sie durch die Tür wieder raus, während ich aus dem Fenster springe. Und dann rennen Sie so, als hätte Ihnen jemand Feuer unter dem Hintern gemacht.«
    »Und Brown Jenkin?«, fragte ich.
    »Verpassen Sie ihm einen Tritt in die Eier, sofern er welche hat. Zögern Sie nie, und schreien Sie weiter. Und warten Sie nicht auf mich, denn ich werde nicht auf Sie warten.«
    »Also gut.« Ich schluckte. Wieder zuckten Lichter nach draußen, der Boden zitterte heftig. Ich hörte das entsetzliche Geräusch der Schädel, die ihren Halt verloren und aus dem Knochenberg rutschten.
    Schulter an Schulter standen wir vor dem Vordereingang der Kapelle. Ich hatte solche Angst, dass ich kaum atmen konnte, was mir bei der brennenden Luft ohnehin schwer fiel. Ich musste mich alle Augenblicke räuspern, um den hartnäckigen Hustenreiz zu bekämpfen.
    »Bereit?«, fragte Miller.
    Ich sah ihn an. Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wer er eigentlich war. Und doch befand er sich jetzt an meiner Seite, in einem unvorstellbaren Abenteuer, riskierte sein Leben, um gegen das obszönste Geschöpf zu kämpfen, das ich jemals gesehen hatte.
    »Bereit«, sagte ich. »Und ... danke.«
    »Unfug. Das ist mein Job.«
    Gemeinsam stürmten wir in die Kapelle und schrien aus Leibeskräften. Im gleichen Moment erschütterte ein ohrenbetäubender Donner die Ruine. Der kurz danach in den Boden der Kapelle einschlagende Blitz blendete uns,

Weitere Kostenlose Bücher