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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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aus und öffnete die kleine Schachtel, um ein neues herauszuholen.
    »Ich bin den Sommer über in Fortyfoot House«, erklärte ich. »Mr. und Mrs. Tarrant wollen es verkaufen, und ich erledige einige Reparaturen.«
    »Ich verstehe ... und ich hatte davon gehört, dass sie es verkaufen wollten. Wenn Sie meine Meinung hören wollen ... es wäre besser, das ganze verdammte Ding einfach abzureißen.«
    »Ich möchte nicht behaupten, dass ich da anderer Meinung bin. Aber ich soll es leer räumen und renovieren, und als Erstes möchte ich diese Ratte loswerden.«
    Harry Martin zündete die Zigarette an und blies den dicken aromatischen Rauch in die Luft. »Aber Sie haben sie gesehen, diese Ratte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nur ungenau. Sie sah ziemlich groß aus.«
    »Sie ist ziemlich groß«, versicherte er mir.
    »Sie wissen davon?«
    »Natürlich. Jeder in der Gegend um Bonchurch und Old Shanklin Village weiß davon. Neulinge natürlich ausgenommen.«
    Ich war erstaunt. »Jeder weiß davon?«
    »Jeder weiß davon, aber niemand redet darüber, das ist alles.«
    »Und warum nicht?«
    »Wenn man darüber redet, dann muss man auch darüber nachdenken. Und das will keiner.«
    »Wie lange ist sie schon da?«, fragte ich beunruhigt.
    »Die Ratte war schon da, als ich ein kleiner Junge war«, antwortete Harry Martin schulterzuckend. »Ich bin jetzt siebenundsechzig. Sind Sie gut im Kopfrechnen?«
    Ich begann zu vermuten, dass Harry Martin mich auf den Arm nehmen wollte. Bei diesen alten Kerlen muss man auf der Hut sein. Sie lieben es, andere aufzuziehen. Ihre Geschichten werden mit jedem neuen Dreh schräger und schräger, und ehe man sich versieht, grinsen sie einen schelmisch an, bis man erkennt, dass man ihnen auf den Leim gegangen ist.
    »Ratten leben normalerweise nicht so lange, oder? Ich bin mal mit einem Freund durch die Londoner Kanalisation gegangen, und er sagte, dass sie meistens nur drei oder vier Jahre alt werden, wenn überhaupt.«
    »Fortyfoot House hat nichts mit der Londoner Kanalisation zu tun, stimmt's?«, erwiderte Harry Martin. »Und das hier ist keine normale Ratte. Es gibt sogar einige Leute, die glauben, dass es sich überhaupt nicht um eine Ratte handelt.«
    Irgendwie ließ die Normalität des mit Möbeln voll gestellten Salons diese Worte ausgesprochen beunruhigend wirken. Die Sonne schien auf die Oberseite des Fernsehers und beleuchtete ein Schiffssteuerrad mit einem imitierten Aquarium in der Mitte. Bienen flogen durch die geöffneten Fenster ein und aus. »Keine Ratte?<, wunderte ich mich. Wie meinte er das? Möglicherweise nahm er mich auf den Arm. Aber sein von tiefen Falten durchzogenes Gesicht machte einen völlig ernsten Eindruck. Und wenn es ein Witz sein sollte, dann entging mir die Pointe.
    »Was ist es dann?«
    Harry Martin schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich habe mir auch noch nie die Mühe gemacht, es herauszufinden.«
    »Haben die Tarrants Sie nie gebeten, die ... das Ding fortzuschaffen?«
    »Die Tarrants waren dafür gar nicht lange genug dort. Sie haben es spottbillig gekauft, weil es so lange Zeit leer gestanden hatte. Sie hatten große Pläne. Ein Swimmingpool, Anbauten, was Sie wollen. Dann erlebten sie einige schlechte Nächte, danach blieben sie nicht mehr so oft da. Und dann gab es eine richtig üble Nacht, und seitdem sind sie nie wieder dort geblieben.«
    »Was meinen Sie mit einer »richtig üblen Nacht    Harry Martin blies Zigarettenrauch in die Luft, während sein Gesichtsausdruck nichts davon verriet, was er dachte. »Lichter und Lärm. Grelles Licht. Und Geräusche, die man nicht beschreiben kann. Und Stimmen, die viel lauter waren als normale Stimmen.«
    Ich lehnte mich zurück. »Jemand hat mir davon erzählt. Eine Frau namens Doris, unten im Strandcafe.«
    »Oh, ja, die arme alte Doris. Sie war eine Belcher, müssen Sie wissen, bevor sie in die Randalls einheiratete.«
    »Ich fürchte, dass mir das überhaupt nichts sagt.«
    »Das würde es, wenn Sie in Bonchurch geboren wären. Die Belchers waren ein lustiges Völkchen. Mr. Belcher, also der Vater von Doris, war der örtliche Schuldirektor. Und George Belcher - ihr Bruder — machte viel Geld mit irgendeinem patentierten Lack für Boote. Aber er war immer etwas sonderbar. Er sagte, er habe die Ratte am helllichten Tag gesehen, aber natürlich wollte ihm niemand glauben.«
    »Lebt er noch?«
    »George? Nein, der nicht. Tabletten und Whisky besiegelten sein Schicksal. Tabletten und Whisky.«
    Mrs. Martin

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