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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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sicher, dass ich ein schrilles Kratzen hörte, das von einem der Fenster im Obergeschoss kam, doch ich ging unbeirrt weiter zum Wagen und weigerte mich, einen Blick zurückzuwerfen.
    Ich startete den Motor. Mein verschossener bronzefarbener Audi war elf Jahre alt und wieherte wie ein Pferd, bis er ansprang. Bevor ich die Handbremse löste, fasste ich genug Mut, um zum Haus zu sehen. Aber außer dunklen Fenstern und einem sonderbar winkligen Dach war da nichts. Ich wartete noch einen Moment länger, dann lenkte ich den Audi hinauf zur Straße.
    Ich schaltete das Radio ein, während ich durch die engen schattigen Straßen fuhr, die nach Shanklin Village führten. Cat Stevens sang >I'm being followed by a moonshadow<, und ich stimmte ein: »Moonshadow ... moonshadow!«
    Die Sonne blitzte grell zwischen den Blättern hindurch.
    Der Rattenfänger lebte in einem kleinen blendend weißen Cottage am Rande von Shanklin Old Village. Im Garten blühten überall rote und gelbe Chrysanthemen und leuchtende Geranien, und er war voll gestellt mit braun lackierten Betoneichhörnchen mit Bernsteinaugen, mit Betongartenzwergen, Beton-Katzen, einer Miniaturwindmühle, einem Miniaturwunschbrunnen, einem Schloss und einem Betonspaniel.
    Seine Frau saß auf der Veranda in einem Liegestuhl und strickte an etwas Braunem, Konturlosem. Eine korpulente Frau mit rosafarbenen Plastiklockenwicklern und in einem Baumwollkleid, das über und über mit Ankern bedruckt war. Auf den Fliesen neben ihrem Stuhl standen eine leere Teetasse und ein Tablett mit Biskuits. Ich stand am Gartentor und sah in den Garten, der so klein war, dass ich mich fast hätte vorbeugen und ihr das Strickzeug aus der Hand nehmen können. Sie schaute auf und sagte: »Ja?«, als habe sie mich nicht kommen sehen.
    »Ich suche Harry Martin.« »Ach ja? Und wer sucht ihn?«
    »Der Landrat sagt, dass er noch immer Ratten fängt.«
    »Ach ja? Er ist im Ruhestand.«
    »Ist er zu Hause?«
    »Er macht sein Nickerchen.«
    »Bitte?«
    »Seinen Mittagsschlaf. Er ist siebenundsechzig, er braucht das.«
    »Oh, sicher. Soll ich später wiederkommen?«
    Im selben Moment wurde ich vom Erscheinen eines weißhaarigen Mannes in der Tür unterbrochen. Er stopfte gerade ein Hemd in seine braune Hose. Sein Nase war so verdreht, als sei sie in dem Moment gegen eine Glasscheibe gedrückt worden, in dem der Wind gewechselt hatte. Harry Martin, in voller Lebensgröße.
    »Ich habe mitgekriegt, dass Sie nach mir gefragt haben«, sagte er. »Mein Schlafzimmerfenster ist gleich hier oben, da konnte ich Sie gar nicht überhören.«
    »Tut mir Leid. Ich wollte Sie nicht stören.«
    Er öffnete das Gartentor. »Macht doch nichts. Kommen Sie rein.«
    Mrs. Martin machte Platz, während Harry Martin mich ins Wohnzimmer schob. Das Zimmer war chronisch zu klein. Velourstapete, Sessel, über die Schondecken gelegt worden waren, ein Sideboard voller Blechnippes und Porzellanballerinas. Ein riesiger Fernseher füllte eine Wand aus, und auf dem Tisch aus den sechziger Jahren, auf dem er stand, stapelten sich monatealte Ausgaben der TV Times.
    »Setzen Sie sich«, sagte er, und ich befolgte seine Aufforderung.
    »Ich habe Probleme mit Ratten«, erklärte ich. »Besser gesagt, mit einer Ratte. Einer ziemlich großen.«
    »Hmm«, sagte er. »Ich schätze, die Gemeindeverwaltung hat Sie direkt an mich verwiesen.«
    »Das stimmt.«
    »Einen Vollzeitjob wollen sie mir nicht geben, das können sie sich nicht leisten. Das hat alles mit dieser Kopfsteuer zu tun. Ich habe ihnen gesagt, dass ich keine Ratten mehr fange, aber sie schicken die Leute trotzdem zu mir. Ich mache jetzt in Gartenarbeit, das ist sicherer.«
    »Ich würde Sie ja auch bezahlen«, sagte ich.
    »12,50 Pfund. Außerdem Materialkosten, wenn ich zum Beispiel ein defektes Abflussrohr ersetzen oder ein Loch schließen muss.«
    »Klingt akzeptabel.«
    Harry Martin nahm eine Tabakdose vom Tisch neben seinem Sessel, öffnete sie und begann, sich eine Zigarette zu drehen, ohne hinzusehen.
    »Und wo steckt Ihre Ratte?«
    »Auf dem Dachboden.«
    »Ja, aber wo? Auf welchem Dachboden?«
    »Oh, entschuldigen Sie. Im Fortyfoot House.«
    Harry Martin hatte ein Streichholz angerissen, um seine selbst gedrehte Zigarette anzuzünden, doch als er >Fortyfoot House< hörte, hielt er in seiner Bewegung inne und starrte mich an, während das Streichholz weiterbrannte. Die Zigarette hing unangezündet im Mund.
    Erst als ich »Achtung!« rief, bemerkte er es, blies das Streichholz

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