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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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suchen.«
    »Können Sie mir jemanden empfehlen?«
    »In Bonchurch? Sie könnten es bei Harry Martin versuchen. Er lebt in Shanklin Old Village, das ist nicht allzu weil entfernt.«
    »Sie haben nicht zufällig seine Telefonnummer?«
    »Nein ... um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass er überhaupt ein Telefon besitzt.«
    Liz bereitete ein Picknick aus Sandwiches mit Cheddarkäse und Schinken zu, das wir auf dem Rasen unter einem heißen, diesigen Himmel zu uns nahmen. Liz redete am meisten von uns allen. Sie war offen und direkt, und sie war wirklich witzig. Sie wollte in einer öffentlichen Verwaltung arbeiten. Sie war keine Marxistin-Leninistin, andererseits war sie aber auch keine zweite Margaret Thatcher.
    Sie war überzeugt, dass sie etwas bewirken könne. »Daran glaube ich ganz fest«, sagte sie voller Begeisterung. Sie glaubte wirklich daran. In diesem Alter meint jeder, dass er etwas bewirken kann.
    »Ich möchte einfach nur ein Genie sein, weiter nichts«, sagte Liz. »Ein berühmtes Genie. Ich möchte im Fernsehen auftreten und mit einem breiten deutschen Akzent reden, während ich über den Zustand der Gesellschaft spreche.«
    »Und wie ist dieser Zustand?«
    Sie legte sich auf den alten braunen Vorhang, den ich ersatzweise als Picknickdecke aus dem Haus geholt hatte, und trank den kalten Frascati direkt aus der Flasche. »Der Zustand der Gesellschaft ist der, dass die Männer die Frauen wie Göttinnen verehren, bis sie sie in ihre Klauen bekommen haben. Dann nutzen sie sie aus, missbrauchen sie, schlagen sie und schmähen sie. Und je mehr die Frauen ausgenutzt,
    missbraucht, geschlagen und geschmäht werden, umso mehr gefällt es ihnen.«
    »Gefällt es dir?«, fragte ich sie.
    »Nein, beim besten Willen nicht. Andererseits hat mich ja auch noch niemand in seine Klauen bekommen.«
    »Nicht alle Männer sind ungehobelt und schlagen ihre Frauen.«
    »Die, die es wert sind, leider schon. Das ist die schreckliche Ironie dabei.«
    Ich setzte mich auf und sah zu Danny, der am Fischteich spielte. »Pass auf, Danny, das Wasser ist tiefer als es aussieht.«
    »Du betest ihn wirklich an, nicht wahr?«, fragte Liz, während sie ein Auge zukniff, um die Sonne abzuwehren.
    »Natürlich.«
    »Und seine Mutter liebst du nicht?«
    »Aul gewisse Weise immer noch. Aber was bringt's? Sie lebt jetzt in Durham. Mit einem bärtigen Kerl namens Raymond.«
    Liz nickte. »Ich weiß, was du meinst. Ich kannte auch mal einen Kerl, der Raymond hieß. Er war völlig nutzlos. In der Schule gab er sein Essensgeld an die Bedürftigen, und dann ging er rum und schnorrte den anderen Leuten deren Sandwiches ab. Er hielt sich für einen Heiligen.«
    »Vielleicht wäre r das ja auch.«
    Liz lachte. »Ein schöner Heiliger. Nachdem er von der Schule abgegangen war, wurde er auf dem Dach eines Lagerhauses in South Croydon erwischt, als er Fernseher stehlen wollte.«
    Ich aß mein Sandwich zu Ende, nahm die Flasche Wein und trank einen großen kalten Schluck. »Ich muss heute Nachmittag nach Shanklin Village fahren, um mit einem Rattenfänger zu reden. Oder mit einem Schädlingsbekämpfers wie man heute so schön sagt.«
    »Darf ich mitkommen?«
    »Mir wäre es lieber, wenn du auf Danny aufpassen könntest. Oder würde dir das was ausmachen?«
    Liz schüttelte lächelnd den Kopf. »Liebend gerne. Er ist süß. Er hat mich gefragt, ob ich dich liebe. Ich glaube, wir werden sehr gut miteinander auskommen.«
    »Hast du jüngere Geschwister?«
    Das Lächeln wich aus ihrem Gesicht, während sie ihr Haar zurückstrich. »Ich hatte einen jüngeren Bruder. Marty hieß er. Aber es brach ein Feuer aus. Ein alter Ofen stürzte um, und er verbrannte. Er war gerade vier Jahre alt. Meine Eltern sind darüber fast verrückt geworden.«
    »Das tut mir Leid«, sagte ich so sanft ich konnte.
    Sie verzog den Mund. »Es ist nicht mehr zu ändern.«
    »Was hältst du von der Geschichte, die uns Doris aufgetischt hat?«, wechselte ich das Thema.
    »Uber den alten und den jungen Mr. Billings? Das fand ich toll. Aber solche Geschichten hört man immer über alte Häuser. Bei uns in der Straße gab es auch so ein Haus ... >The Laurels< hieß es. Die alte Frau, die dort gelebt hatte, war an Krebs gestorben, und wir Kinder glaubten alle, dass man ihr Gesicht immer noch sehen könne. An eines der oberen Fenster gepresst, ganz blass, mit weißen Haaren, während sie schrie, dass wir Kinder aus ihrem Garten verschwinden sollten. So, wie sie es immer gemacht hatte, als

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