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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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Außerdem war kein Rauch zu sehen. Ganz im Gegenteil sogar, denn die Luft war so eisig kalt wie in einem Kühlschrank.
    Liz schauderte. » Sieht nicht so aus, als würde es brennen.«
    Ich umklammerte mit meiner linken Hand fest das Stuhlbein. »Finde ich auch.«
    »Brauchst du eine Taschenlampe?«
    »Ich hab keine. Na ja, eigentlich habe ich schon eine, aber die Batterien waren den ganzen Winter über drin und sind jetzt grün und verkrustet. Ich wollte heute eine neue kaufen ...«
    Ich schaltete das Licht auf dem Treppenabsatz an. So wie zuvor der Spiegel schaffte das Licht es nur, die ersten Stufen zu beleuchten. Dahinter wurde der braune abgenutzte Filz von der Finsternis geschluckt.
    »Na los«, spornte Liz mich an.
    »Okay, okay, ich überlege, was ich mache, wenn ich es finde.«
    »Mit dem Stuhlbein draufschlagen, was sonst?«
    »Und wenn es mich anspringt?«
    »Dann halt das Stuhlbein höher.«
    Einen Augenblick lang dachte ich nach, dann sagte ich: »Ja, du hast Recht.« Immerhin ging es um eine Ratte. Eine große, viel zu große Ratte, eine Schädlingsversion von General Woundsworth aus Watership Down. Und was das Geschrei anging ... in der Nacht klingt jedes Geräusch zehnmal so schlimm.
    Ich zog den Kopf ein und stieg die ersten drei Stufen hinauf, die drei, die ich erkennen konnte. Schließlich erreichte ich den Punkt, an dem ich weit genug oben war, um durch die Stangen des Geländers auf den Speicher zu blicken. Ich erkannte ein paar Formen, die ich schon zuvor gesehen hatte. Bei einigen handelte es sich erkennbar um Möbelstücke, über die zum Schutz gegen Staub ein Laken gelegt worden war. Andere waren Wäscheberge. Es war zu dunkel, um sonst noch viel zu erkennen. Ich drehte mich zu Liz um und flüsterte: »Hier ist nichts, es muss eine Taube gewesen sein.«
    »Warte doch einen Augenblick«, ermutigte Liz mich.
    Ich schnupperte und sah mich um. Der Brandgeruch war völlig verschwunden. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ließen mich eine Garderobe und einen Spiegel erkennen.
    Gerade wollte ich nach unten gehen, als ein durchdringendes elektrisches Knallen zu hören war. Und für den
    Bruchteil einer Sekunde war der Speicher in blendendes blaues Licht getaucht.
    »David!«, rief Liz. »David, alles in Ordnung?«
    Zunächst konnte ich nicht antworten. Ich war nicht sicher, was ich gerade gesehen hatte. In diesem kurzen grellen Aufflackern hatte es wie ein Kind ausgesehen, ein kleines Mädchen, das ein langes weißes Nachthemd trug - das vom Licht erfasst wurde, während es über den Dachboden ging. Das ovale weiße Gesicht war mir zugewandt, und nach dem Blick in den Augen zu urteilen, hatte es mich ebenfalls gesehen.
    »David?«, wiederholte Liz.
    »Ich ... ich bin nicht sicher, ich glaube, ich habe etwas gesehen...«
    »David, komm nach unten.«
    »Nein, ich bin sicher. Das ist keine Ratte. Es ist ein kleines Mädchen.«
    »Ein kleines Mädchen? Was soll das denn mitten in der Nacht auf dem Speicher suchen?«
    Ich strengte meine Augen an, das Licht hatte mich so sehr geblendet, dass ich nicht einmal mehr die Garderobe oder den Spiegel erkennen konnte.
    »Wer ist da?«, rief ich, während ich versuchte nicht wütend, sondern vertrauenswürdig zu klingen. »Ist da jemand?« Alles blieb ruhig.
    »Du klingst so, als würdest du eine Séance abhalten«, scherzte Liz nervös.
    Ich starrte und ich lauschte, aber es waren nur noch die typischen nächtlichen Geräusche zu hören. »Könnte sein«, erwiderte ich.
    »Komm nach unten«, beharrte sie.
    Ich wartete noch fast drei Minuten. Ich rief wieder und wieder, aber es gab weder weitere Lichtblitze noch Schreie und auch keine Anzeichen für ein kleines Mädchen. Gerade wollte ich mich zurückziehen, als ich ein schwaches, verstohlenes Scharren in einer Ecke des Dachbodens hörte, doch das hätte von allem herrühren können. Langsam stieg ich nach unten, während ich versuchte, nicht zu zeigen, welche Angst ich hatte. Dann schloss ich die Tür hinter mir.
    »Und? Was glaubst du, ist es?«, fragte Liz.
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. >Ich habe mir auch noch nie die Mühe gemacht, es herauszufinden<, hatte Harry Martin gesagt. Vielleicht ist es nur irgendeine elektrische Störung. Wir sind nahe am Meer, vielleicht war es ein Blitz. Ich werde sehen, ob ich im Dorf einen Blitzableiter auftreiben kann.«
    »Möchtest du eine Tasse Tee?«, fragte Liz. »Du zitterst ja.«
    »Würdest du an meiner Stelle auch«, erwiderte ich.

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