Die Opferung
Rattenanzug, um eine Ratte zu fangen.«
Ich goss ihm eine Tasse Kaffee ein. »Zucker?«, fragte ich.
»Drei Stückchen.«
Er rührte so lange um, bis das Klimpern des Löffels mir so auf die Nerven ging, dass ich ihn fast bitten wollte, endlich damit aufzuhören.
Plötzlich legte er den Löffel fort und sah mich durchdringend an. Ein Auge hatte er zugekniffen, das andere war weit aufgerissen. »Sie hatten letzte Nacht Probleme?«
Ich nickte.
»Ich habe am Himmel das Licht gesehen. Hören konnte ich nichts, weil der Wind in die falsche Richtung wehte. Aber ich dachte mir, dass Sie Probleme haben.«
»Es waren ein paar Geräusche zu hören«, sagte ich und warf Danny einen Blick zu. »Geräusche und auch Licht ... Danny, bist du lieb und frühstückst im Wohnzimmer weiter?«
»Ich sehe gerade Play School.«
Ich schaltete den Fernseher aus. »Du hast Play School gesehen. Jetzt nicht mehr. Und jetzt geh bitte mit deinem Frühstück ins Wohnzimmer, ja?«
»Aber, aber, keinen Streit«, sagte Harry Martin. »Wir können unseren Tee auch im Garten trinken, wir müssen dem jungen Mann doch nicht das Fernsehen vermiesen.«
»Wenn er noch länger fernsieht, bekommt er irgendwann eckige Augen«, entgegnete ich. Trotzdem folgte ich Harry aus der Küche auf die Veranda. Wir setzten uns auf die Mauer, von der aus wir auf den abfallenden Garten und die Sonnenuhr blicken konnten. Die frühe Morgensonne schiert rötlich durch Harrys haarige Ohren. Die See klang sonderbar beruhigend.
»Was für Geräusche?«, fragte Harry.
»Lärmen, Gepolter und Schreie. Schreie von Kindern. Und ein sehr tiefes Geräusch, dass sich anhörte, als rede jemand sehr langsam. Sie wissen schon, wie bei einem Tonband, das zu langsam läuft. Außerdem habe ich ein kleines Mädchen in einem langen Nachthemd gesehen, jedenfalls habe ich das geglaubt. Aber ich schätze, es war wohl nur eine optische Täuschung.«
Ich zögerte. »Zumindest hoffe ich, dass es eine optische Täuschung war.«
Harry holte seine Tabakdose hervor und rollte sich eine Zigarette. »Haben Sie heute Morgen Radio gehört?«
»Nein.«
»Ich höre morgens immer Radio. Leistet mir Gesellschaft, wenn Vera noch schläft.«
»Und?«
»Es kam eine Meldung, dass ein neun Jahre altes Mädchen aus Ryde in der vergangenen Nacht verschwunden ist. Das war mit ein Grund, warum ich zu Ihnen gekommen bin.«
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz.«
Harry zündete die Zigarette an und zog die Nase hoch. »Im Radio haben sie gesagt, dass das Mädchen in sein Zimmer eingeschlossen wurde, weil es zu lange draußen geblieben war. Das Fenster war ebenfalls verriegelt, aber irgendwie ist es ausgebüxt. Im Bett, in dem es geschlafen hatte, war eine Vertiefung, mehr nicht. Und es hatte in der Nacht nur sein Schlafhemd an.«
»Ich kann noch immer nicht folgen.«
»Das ist früher auch schon passiert«, erklärte Harry geduldig. »Wenn im Fortyfoot House Licht zu sehen ist und Geräusche zu hören sind, dann verschwindet jedes Mal ein Kind.«
»Sie sehen da doch keine Verbindung, oder? Ich meine, es verschwinden immer wieder Kinder.«
»Aber nicht so wie diese Kinder verschwinden. Sie sind einfach weg, niemand sieht oder hört je wieder etwas von ihnen. Und eine Leiche wird auch nie gefunden.«
Er sah mich gelassen an. »Glauben Sie mir. Jedes Mal, wenn es im Fortyfoot House Licht und Geräusche gibt, höre ich Radio und lese die Zeitung. Und jedes Mal verschwinden Kinder. Ein Kind, manchmal auch zwei. Und sie verschwinden für immer ... als hätten sie nie existiert.«
»Haben Sie das der Polizei erzählt?«
»Der Polizei? Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft ich das der Polizei erzählt habe. Aber ich werde nur ausgelacht. Man hält mich nur für einen verrückten alten Rattenfänger. Fünfunddreißig Jahre Kriegführung gegen die Ratten haben meine grauen Zellen angegriffen, das sagen sie. Jedes Mal rufe ich sie an und sage es ihnen, und jedes Mal werde ich ausgelacht. Dumm wie Schifferscheiße, diese modernen Bullen.«
Ich drehte mich um und blickte hinauf zum Dach. »Und wer holt sich diese Kinder? Etwa Brown Johnson?«
»Brown Jenkin«, korrigierte er mich. »So heißt es. Brown Jenkin. Ja, es holt sie sich. Diese Geschichte wird seit Jahren in Bonchurch erzählt, um den Kinder Angst einzujagen. Iss deine Möhren auf, sonst kommt Brown Jenkin und holt dich. Sie haben gehört, was meine Doris gesagt hat.«
»Ja. Irgendetwas darüber, irgendwohin gebracht zu werden, wo einen nicht
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