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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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»Ein Tee ist eine gute Idee.«
    »Glaubst du wirklich, dass du ein kleines Mädchen gesehen hast?«
    »Es sah zumindest so aus wie ein kleines Mädchen. Andererseits könnte es auch ein Stuhl mit einer hohen Rückenlehne sein, über den man ein Laken geworfen hat. Ich glaube, meine Nerven konnten den Unterschied nicht feststellen.«
    Aber ich hatte das Gesicht des Mädchens gesehen, ein bestürztes Gesicht, von Zweifeln gezeichnet und durch Vernachlässigung seiner gesunden Farbe beraubt.
    Wir gingen gemeinsam nach unten in die Küche. Am Himmel zeigte sich gerade die erste schwache Andeutung eines Sonnenaufgangs. Ich setzte mich an den Küchentisch, während Liz den Wasserkessel auf die Kochplatte stellte.
    »Vielleicht sind da oben wirklich Kinder«, sagte Liz. »Vielleicht haben sie sich da oben einquartiert.«
    »Oh, ja, und ich bin vielleicht Dschingis Khan. Und wie sollen sie raus-und reinkommen, ohne dass wir das merken? Und falls es sich wirklich um Kinder handelt, dann würden sie nicht einen solchen Lärm machen. Sie würden doch nicht wollen, dass sie entdeckt werden, oder?«
    »Würde es dir etwas ausmachen?«, fragte Liz, warf einen Teebeutel in meinen Becher und drückte ihn mit dem Finger ins Wasser. »Autsch, das ist heiß!«
    »Würde mir was etwas ausmachen?«
    »Würde es dir etwas ausmachen, wenn es richtige Kinder wären ? Vielleicht sind sie aus der Gegend und verstecken sich vor ihren Eltern.«
    Ich nahm meinen Becher, musste aber ein oder zwei Minuten lang pusten, bevor der Tee so weit abgekühlt war, dass ich einen Schluck nehmen konnte. »Ich bin nicht sicher«, gab ich zurück. »Mir ist es egal, solange sie kein Chaos veranstalten. Und solange sie mich nachts durchschlafen lassen.«
    Liz nahm mir gegenüber Platz. Sie trank ihren Tee so dunkel, dass er fast wie Kaffee aussah.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Warum stellen wir ihnen nicht eine Falle?«
    »Eine Falle? Was denn für eine Falle? Wenn es wirklich Kinder sind, können wir ihnen doch nichts antun.«
    »Natürlich nicht. Wir müssen nur den Boden mit Papier auslegen und darauf Ruß oder Talkumpuder streuen. Wenn sie durchlaufen, hinterlassen sie einen Fußabdruck. Das haben wir in der Schule gemacht, um festzustellen, ob sich jemand in unser Zimmer geschliche n hatte.«
    »Es wäre den Versuch wert.«
    Während wir dasaßen und unseren Tee tranken, hatte ich das Gefühl, dass Fortyfoot House ausgiebig erzitterte. Und irgendwo am äußersten Rand meiner Wahrnehmung glaubte ich, ein Kind schreien zu hören. Sobald ich aber darauf achtete, war kein Geräusch mehr da. Nur diese sonderbare Leere, die man wahrnehmen kann, wenn ein gerade noch vorbeirasender Zug bereits außer Hörweite gelangt ist.
    Träume, dachte ich. Einbildung. Als ich aber zum Spülbecken ging, um meinen Becher auszuwaschen, bemerkte ich im Garten einen Schatten, der eigentlich kein Schatten war, sondern ein Mann mit einem großen schwarzen Hut, der zwischen den Eichen Schutz suchte - so wie ein Mann, der um sein Leben rennt, ein Mann, der zu entsetzt ist, als dass er sich umdrehen könnte, um einen Blick auf den unvorstellbaren Jäger zu werfen, der hinter ihm her ist.

6. Kopfjäger
      An der Küchentür war ein forsches Klopfen wie von einem Postboten zu hören. Ich blickte vom Daily Telegraph auf, während Danny seine Augen von seiner Schale Honey Nut Loops abwandte. Der Löffel warf einen geschwungenen Lichtreflex auf seine Wange.
    Es war Harry Martin, der Rattenfänger. Sein Gesicht war hochrot, er war außer Atem. In seiner Hand hielt er einen Schlapphut. Er trug einen dicken Tweedanzug mit Fischgrätenmuster und hatte einen großen Lederranzen über die Schulter geworfen, in den die Initialen HJM eingebrannt waren.
    »Mr. Martin, kommen Sie doch herein.« Er war mir nicht nur willkommen, nach der vergangenen Nacht war ich sogar ausgesprochen froh, ihn zu sehen. »Der Tee ist noch heiß. Oder möchten Sie eine Limonade? Ihr Anzug sieht ja ziemlich dick aus. Ist Ihnen nicht zu warm?«
    Er legte seinen Ranzen ab, zog sich einen Küchenstuhl heran und nahm Platz. »Das ist meine Rattenfängerkleidung«, verkündete er. Er zupfte mit Zeigefinger und Daumen am Ärmel. »Gesehen? Es gibt nicht viele Ratten, die sich da durchbeißen können. Das ist nicht so wie diese modernen Nylonoveralls. Hier, fühl mal.« Danny strich widerstrebend über den Stoff. »Und? Was sagst du dazu?«
    »Er ist haarig«, sagte Danny.
    »Richtig. Er ist haarig. Wie eine Ratte. Ein

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