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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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verstummt. Nur noch das leise Pfeifen des Windes, das Rascheln der Bäume und das mürrische Rauschen der See waren zu hören.
    Ich trank zwei Gläser kaltes Wasser und verließ das Badezimmer. Danny und Charity waren inzwischen wohl eingeschlafen, jedenfalls konnte ich sie nicht reden hören. Ich wollte eigentlich nach ihnen sehen, doch die Tür zu ihrem
    Zimmer knarrte so laut, dass ich sie vermutlich aufgeweckt hätte.
    Gerade wollte ich die Tür zu meinem Schlafzimmer öffnen, als ich bemerkte, dass unter dem Türspalt ein bläuliches Licht flackerte. Ich blieb stehen und wunderte mich. Es war ganz sicher nicht die Nachttischlampe, sondern wirkte mehr wie das Flackern eines Fernsehers in einem ansonsten völlig dunklen Zimmer. Bloß ... im Schlafzimmer stand kein Fernseher. Vielleicht waren es Blitze, die durch die Vorhänge leuchteten. Das Wetter war in den letzten Tagen ungewöhnlich unbeständig gewesen, und wiederholt hatte ich fernes Donnergrollen gehört, das vom Kanal herüberkam. Es hatte mich an die Berichte erinnert, die besagten, dass die Urlauber an der Südküste Englands im Ersten Weltkrieg das Artilleriefeuer aus Frankreich hatten hören können. Das hatte ich immer als sehr beunruhigend empfunden.
    Wieder hörte ich ein Kratzen und Schlurfen, woraufhin mir ein Schauder über den nackten Rücken lief, der mir wie ein leichter Stromschlag vorkam.
    Anstatt ins Schlafzimmer zu gehen, kniete ich mich vor die Tür und warf einen Blick durch das Schlüsselloch. Der Luftzug ließ mein Auge tränen, aber trotzdem konnte ich die dunklen Umrisse des Betts erkennen, Liz' Kopf auf dem Kissen und einen Teil des Fensters.
    Erneut flackerte das Licht, aber es war ganz sicher kein Blitz. Die Lichtquelle befand sich im Raum, in der gegenüberliegenden oberen Ecke. Das Flackern wurde heller, und jetzt konnte ich Liz deutlich erkennen. Gleichzeitig ertönte ein tiefes, verzerrtes Singen - so tief, dass ich die Vibrationen in meinem Kiefer fühlen konnte. Ygggaaa sotholh nggaaa. Auch wenn es tief und verschwommen war und mehr an eine Orgelpfeife als an eine menschliche Stimme erinnerte, fielen mir Ähnlichkeiten zu den Worten auf, die der alte Mr. Billings im Garten geschrien hatte, als er von der Sonnenuhr mit einem Stromschlag getötet wurde. Nnggg-nggyyaaa nnggg sothoth.
    Ich wusste nicht, was diese Worte bedeuten sollten, aber sie wurden auf eine so beharrliche, beschwörende Weise gesungen, dass sie in mir eine irrationale Furcht auslösten, die fast an Panik grenzte. Jemand oder etwas wurde ins Fortyfoot House gerufen - aber wer oder was, das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich war nicht mal sicher, ob ich es mir überhaupt vorstellen wollte.
    Diesmal flackerte das Licht sehr grell. Ich war erstaunt, dass es Liz noch nicht geweckt hatte. Ich beschloss, die Tür zu öffnen, doch als ich meine Hand um den Türgriff legte, kam die Lichtquelle in mein Blickfeld, und ich blieb wie erstarrt stehen.
    Die Schwester oder Nonne, die ich über mir hatte schweben sehen, hatte mitten im Raum Form angenommen. Eine große schimmernde Gestalt mit einem weiten Schleier und gehüllt in ein blaues Licht, das sich wie eine phosphoreszierende Reihe verblassender Eindrücke auf und ab bewegte.
    Der Gesang hielt an. NggGGGaa - sothoth - gnoph-hek -nggaaAA ... Obwohl diese Worte keinerlei Ähnlichkeit zu irgendeiner mir bekannten Sprache aufwiesen, hatte ich das Gefühl, nahe daran zu sein, ihren Sinn zu verstehen. Ihre Bedeutung lag mir förmlich auf der Zunge, nur konnte ich sie nicht in Worte fassen.
    Die Nonne glitt über den Fuß des Bettes, hielt einige Zeit inne und schien die schlafende Liz zu beobachten. Dann lehnte sie sich über das Bett. Sie beugte sich nicht vor, sondern veränderte ihre Position zu einem unmöglichen Winkel, bis sie nur noch wenige Zentimeter von der Decke entfernt war.
    Ich sah, dass Liz sich umherwälzte. Ich wusste nicht, wie gefährlich diese Erscheinung war und was sie wollte, aber mir war klar, dass ich nicht länger untätig zusehen konnte. Ich riss die Tür mit solcher Gewalt auf, dass sie mit Wucht gegen die Wand schlug - nicht so sehr, um die Gestalt zu erschrecken, sondern um mir selbst Mut zu machen. Als ich dann aber splitternackt vor dem Bett stand, zog sich meine
    Kehle zusammen und erlaubte mir nicht mehr als ein heiseres, hohes: »Aaahh!«
    Mit einem donnernden Getöse begann sich die Gestalt über dem Bett umzudrehen, und unter dem Schleier konnte ich ein Gesicht erkennen, eine

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