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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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Fliegeralarm kam dann gleich eine Minute später, genau wie mein Vater. Haiat hatte bis dahin nur einen einzigen Satz von sich gegeben: »Keine Angst, mein Prinz, es wird alles gut!« Dabei hatte ich gar keine Angst. Ich wusste ja nicht, was die Flugzeuge wollten. Ich wusste nur, dass sie böse Gestalten sein mussten, weil sie meine Mutter derart erschreckt hatten. Später, als Muhsin bei uns saß und schützend seine Arme um uns legte, begann Haiat plötzlich zu weinen. In diesem Moment erst bekam ich eine Heidenangst und ließ meinen Tränen ebenfalls freien Lauf. Ganz zärtlich versuchte mein Vater, uns zu beruhigen. »Keine Angst, meine Liebsten! Alles wird gut!«
    Der Angriff dauerte nur einige Minuten. Wir hörten zwei große Explosionen und das laute Knallen mehrerer Geschosse aus Gewehren, Raketen und Flugabwehrkanonen, die aus der im Palmenhain gelegenen Armeestellung abgefeuert wurden. Auch die Explosionen sollen in der Abwehrbatterie stattgefunden haben. Keiner hat jemals gesehen, was da tatsächlich vor sich ging, weil es verboten war, dorthin zu gehen. An diesem Tag ertönten noch ein paar Mal die Sirenen, obwohl man keine Kampfflugzeuge mehr sehen konnte.
    Innerhalb des ersten Kriegsmonats erlebte die Stadt eine ganze Reihe von Angriffen. Die Regierung errichtete mehrere Flugabwehrgeschütze auf den Dächern von Schulen, Behörden und den Büros der Baathisten. Allen Leuten empfahl man, bei einem Angriff zu Hause zu bleiben oder zum großen Luftschutzbunker im Zentrum zu gehen. Beim zweiten großen Angriff rannten wir tatsächlich zum Bunker. Der lag etwa zehn Minuten zu Fuß von unserem Haus entfernt. Trotzdem wollte mein Vater unbedingt dorthin. Er freute sich geradezu auf den Bunker, wie ein Kind, das zum ersten Mal ein Flugzeug sieht. »Ja, so viele Bunker gibt es nicht bei uns!«, behauptete er. »Er ist ganz neu. Den müssen wir ausprobieren! Ein historischer Moment!«
    Meine Mutter verstand das nicht. Sie wollte sich eigentlich lieber zu Hause irgendwo verstecken. Aber mein Vater bestand darauf. Unterwegs erblickte ich eine ganze Horde von Flugzeugen und hörte das Rattern von Geschossen. Ich sah einen Soldaten, der mitten auf der Straße stand und seine Waffe in den Himmel abfeuerte. Einen andern mit einer Panzerfaust, der hinter einem Baum versteckt den Himmel beobachtete. Und auf Vaters Gesicht tanzten nur Freude und Neugier.
    Wir erreichten den Bunker reichlich spät, aber zum Glück unversehrt. Der Luftschutzwart ließ uns auch noch hinein. Viele Familien kauerten auf dem Boden. Wir fanden schnell eine Ecke und hockten uns ebenfalls nieder. Hier hörte mangar nicht, was außerhalb des Bunkers vor sich ging, weil die Schreie der Kinder und die Stimmen der Mütter, die versuchten, ihre Säuglinge zu beruhigen, jeglichen Lärm von draußen übertönten. Ich habe diesen Bunker wahrlich gehasst. Es stank dort erbärmlich, nach Babyscheiße und Erwachsenenfürzen. »Wegen der Angst«, mutmaßte mein Vater.
    Meine Mutter blieb in dieser üblen Lage aber wirklich stark. Sie versuchte mit einer bewundernswerten Geduld, eine ältere Frau neben uns zu beruhigen, die die ganze Zeit nur schluchzte, furzte und zitterte. Letztlich war ich froh, als der Luftschutzwart mit seiner Taschenlampe auftauchte. »Alles ist vorbei. Ihr könnt nach Hause gehen!« Ich freute mich riesig über die frische Luft. Abends sagte mein Vater, es sei nichts Schlimmeres passiert. Nur in der Armeestellung habe es Einschläge gegeben, außerdem sei eine Rakete im Basar eingeschlagen und habe Geschäfte zerstört, drei Menschen seien getötet und zwei schwer verletzt worden.
    Nach diesem Angriff ging meine Familie niemals wieder in den Bunker, stattdessen suchten wir beim nächsten Alarm die Moschee auf. Das war die Idee meiner Mutter. Und die war wirklich genial. Sie dachte, es sei sicherer, sich in der Moschee zu verstecken. Allerdings nicht in irgendeiner, sondern in einer schiitischen. Die Iraner – meinte sie – seien schließlich Schiiten und würden demzufolge niemals eine solche Moschee zerstören. So landete die Familie bei den künftigen Luftangriffen in der Moses-Moschee, direkt neben unserem Haus. Den Aufenthalt in dieser großen Moschee fand ich tausend Mal erträglicher als im Bunker. Kein Gestank. Die Leute, die hier Zuflucht suchten, hatten meines Erachtens noch eine ganz andere Angst. Nicht nur die vor den Bomben, sondern auch die vor Gott. Keiner hätte es gewagt, in einem Gotteshaus zu furzen. »Das wäre ja

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