Die Orangen des Präsidenten
Familien in Bussen, Lkws oder Taxis, mit Pferde- oder Eselsfuhrwerken.
Ein Flugzeug tauchte über uns auf. Wir winkten wieder mutig mit unseren weißen Flaggen. Es zog einige Kreise und kehrte um.
Dann kam eine ganze Horde von Panzern. Einer fuhr direkt neben uns her, als wolle er uns begleiten. Der Soldat, der oben aus dem Ausguck herausschaute, hatte seine Waffe auf uns gerichtet. Erneut griffen wir zu den weißen Tüchern und wedelten damit herum.
Der Panzer drehte ab und ratterte zurück zu den anderen Wagen. Plötzlich blieben wir stehen. Vor uns an die sechzig Wagen. Ein Stau? Unser Fahrer stieg aus. Abu-Hady ebenfalls. »Aussteigen. Wir sind angekommen. Ab hier gibt es nur noch Alliierte«, erklärte der Fahrer. »Sie werden euch in ein Flüchtlingslager bringen. Ich wünsche euch viel Glück!«
Abu-Hady bedankte sich bei ihm. Der Fahrer stieg sofort wieder ein und machte sich auf den Rückweg.
Wir gingen langsam in Richtung der ausländischen Soldaten. Vor uns viele andere Familien.
Vor dem Kontrollpunkt stand ein Soldat. »Ihr seid in Sicherheit«, begrüßte er uns in seinem ägyptischen Dialekt. Er wollte unsere Namen wissen. Ein anderer Soldat mit einem Turban auf dem Kopf saß an einem kleinen Tisch und notierte sie in ein dickes Heft. Dann empfing uns ein anderer mit einem ermunternden »Hallo!«. Er war blond und blauäugig und reichte jedem von uns eine Amerikanische Wundertüte, einen Apfel und eine Orange. Ich blieb stehen und betrachtete die Orange. »Hast du noch nie eine Orange gesehen?«, fragte Abu-Hady.
»Orangen sind seltsam.«
»Seltsam?«
»Ich erzähle dir später davon!«
Schließlich verließen wir den Kontrollpunkt. Wir erblickten Tausende von Menschen, Zelten und Soldaten. »Das muss das Flüchtlingslager sein«, sagte ich.
»Vielleicht«, antwortete Abu-Hady.
Er legte seine Hand auf meine Schulter. »Weißt du was?«
»Was?«
»Obwohl ich sehr glücklich bin, meine Familie in Sicherheit gebracht zu haben, will ich eigentlich nur auf alles spucken. Auf die Heimat. Auf die Baathisten. Auf Amerika. Auf die Araber. Auf die Alliierten. Auf die ganze Menschheit. Und auf Gott, den Faulen, der seinen Hintern nicht hochkriegt.«
»Lass uns das am besten gemeinsam tun!«
Wir spuckten auf den Boden und setzten unseren Weg fort.
Abbas Khider bei Nautilus
DER FALSCHE INDER
Roman
Originalausgabe
Auch als eBook lieferbar
Rasul Hamid flieht aus dem Irak.
Seine jahrelange Odyssee führt ihn, den
jeder fälschlich für einen Inder
hält, über Jordanien, Libyen, Tunesien, die
Türkei, Griechenland
und Italien nach Deutschland.
Für sein Romandebüt
Der falsche Inder
erhielt der 2010 den
»Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis«.
»Was für ein tieftrauriges Buch, bei dem
man über jede Seite glücklich ist …
ein künstlerisches Kleinod.«
Renée Zucker, RBB
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