Die Orangen des Präsidenten
blickten mich an, als wäre ich ein Außerirdischer. Auch ich beobachtete sie schweigend, dachte aber, sie seien alle Riesen. Ich fühlte mich wie ein Zwerg, winzig und fast unsichtbar. Das lag wohl an der Gefängniszelle, die mich zu einem Niemand degradiert hatte. Jasim wirkte sehr alt. Er blickte mich voller Stolz an. Hamida wischte ihre Tränen ab. Schließlich brach sie das Schweigen: »Möchtest du etwas essen oder trinken?«
»Essen, ja. Ich habe Hunger«, antwortete ich lächelnd.
Hamida freute sich und schaute Jasim und die anderen Anwesenden an. »Es ist wirklich Mahdi. Er hat dasselbe Lächeln.«
Ich wusste nicht, dass ich mich so stark verändert hatte. Als Jasim mich ins Bad begleitete, damit ich mich duschen konnte, betrachtete ich mich im Spiegel. Es war lange her, dass ich vor einem Spiegel gestanden hatte. Vor mir standein Fremder. Das war doch nicht ich, nicht Mahdi Hamama. Das war ein anderer Mann. Ein Glatzkopf mit großen schwarzen Augenringen. Sehr blass. Der Fremde legte seine Hand auf das Gesicht. Seine Haut wirkte ungewöhnlich weich, wie Wolle. Er zog seine Kleider vom Leib. Sein Körper war völlig abgemagert, nur Haut und Knochen. Ich schaute Jasim an, der immer noch neben mir im Bad stand. Aus seinen Augen kamen dicke Tränen. »Hast du kein Essen bekommen?«
»Doch. Aber nicht viel. Ein Brot am Tag.«
»Fast zwei Jahre lang?«
»Ich habe auch einmal eine Orange bekommen«, lächelte ich schwach.
Jasim lächelte ebenso. »Alles vorbei!«, sagte er und steckte mich unter die Dusche. »Haben sie dich gefoltert?«
»Onkel! Darüber will ich nicht reden.«
Ich bekam neue Kleider. Im Wohnzimmer war kein Besucher mehr. Hamida hatte alle gebeten, das Haus zu verlassen, damit ich mich ausruhen könne. Sie brachte einen großen Teller Reis mit Tomatensoße und Brot. »Guten Appetit!« Ich sah das Essen an und lächelte wieder. »Danke!«
Alle schauten mir verblüfft zu, wie ich aß. Ich habe das erst später bemerkt. Als ich fertig war, waren meine Hände voller Tomatensoße. Ich hatte das Essen mit beiden Händen in den Mund geschoben. Voller Gier.
Hamida brachte eine Schüssel mit Wasser. Ich wusch mir die Hände. Dann kam der Tee. Ich trank langsam in ganz kleinen Schlucken. Und schaute die drei Kinder an. Shaker schien mir fast erwachsen. Jasim sagte, er sei jetzt dreizehn geworden und bald schon ein Mann, der mit einer Frau ein Kind haben konnte. Die beiden Mädchen hatten sich auch verändert. Hochgewachsen und hübsch.
Nach dem Essen fühlte ich mich sehr müde. Ich musste aufs Klo. Alle sahen mir nach. Als ich dort hockte, kam trotz eines starken Dranges absolut nichts heraus. Plötzlich spürte ich einen gewaltigen Schmerz. Einige Tropfen Blutfielen in die Toilette. Ich stöhnte. Auf einmal ein starker Durchfall. Der Schmerz wurde unerträglich. Ich fiel in Ohnmacht.
Der Arzt, der zu uns ins Haus kam, meinte, es wäre nichts Schlimmes. Ich dürfe nur nicht zu viel essen. Vor allem kein Fett. Nur Suppen und ein Stück Brot täglich, zwei Tage lang. Mein Bauch müsse sich erst wieder an normales Essen gewöhnen. Ich bekam eine Beruhigungsspritze und eine ganze Schachtel Schlaftabletten. Bevor der Arzt wegging, untersuchte er meine Zähne. »Geh morgen zum Zahnarzt! Das sind ja keine Zähne mehr. Eher Kohlebergwerke. Warum putzt du sie nicht?«
»In der Schweiz gab es weder Zahnpasta noch Zahnbürste«, erwiderte ich trocken. Und Onkel Jasim lachte.
»Schweiz?« wiederholte der Arzt.
»Du weißt doch, er war im Gefängnis. Nicht im Urlaub. Was ist los mit dir? Komm!« Jasim begleitete ihn höflich nach draußen.
Ich schlief in dieser Nacht ruhig. Am nächsten Morgen wusste ich aber nicht sofort, wo ich war. Ich brauchte ein Weilchen, um festzustellen, dass ich zu Hause bei Onkel Jasim war, der neben mir lag. Als ich mich umdrehte, war er schon wach. »Guten Morgen. In einer Viertelstunde können wir zum Zahnarzt gehen, wenn du willst«, schlug er vor.
Mit einem Taxi fuhren wir zur Praxis. Auf der Fahrt schlief ich gleich wieder ein und wachte erst vor dem Haus des Zahnarztes auf. Der kontrollierte meine Zähne und entfernte Unmengen von Zahnstein. Der Zahnschmelz war aber in Ordnung, wie er erfreut feststellte. Keine Karies. Trotzdem solle ich ihn regelmäßig aufsuchen und mein Zahnfleisch sorgfältig pflegen.
Auf dem Rückweg fragte mich der Taxifahrer: »Warum sind Sie so blass, als kämen Sie gerade aus dem Grab?«
Ich war überrascht und schaute Jasim an. Der
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