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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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Befreiers kamen ebenfalls Tränen. Der Mann hob seine Waffe und schrie: »Allah Akbar – Gott ist groß!« Und alle begannen zu jubeln.

Zwölftes Kapitel
Rückkehr
1991
    Die Welt außerhalb der Mauern war urplötzlich wieder da, überwältigend in ihrer Einfachheit, eine Welt, die vorher nur noch eine Traumwelt gewesen war. Ich hätte nie gedacht, auf diese Art befreit zu werden. Alles in mir war auf einmal wie ein stilles Wasser. Ich konnte mich nicht glücklich fühlen. Allerdings war ich auch nicht traurig. Und alles, was ich dem Aufständischen und Befreier sagen konnte, wie die meisten anderen Gefangenen auch, war nur ein einziger Satz: »Ich will nach Hause.«
    Ich ließ das Haupttor des Gefängnisses hinter mir. Das ganze Gebäude lag im Dunkeln. Die Laternen in den Händen der Aufständischen beleuchteten den Weg nach draußen. Ich blickte hinter mich. Das alte osmanische Gebäude mitten in einer Kaserne blieb dunkel und leer zurück. Dort drinnen war ich eingesperrt gewesen. Hinter diesen gelben Mauern. In einem kalten Grab. Von einer übermütigen Menschenmenge wurde ich zu den vielen Autos geschoben, die auf dem Parkplatz gegenüber dem Gebäude standen.
    Ich stieg in einen Minibus, Adnan mit mir. Der Fahrer fuhr mit quietschenden Reifen los. Er sprach die ganze Zeit über den Widerstand, den er einmal Revolution nannte und ein anderes Mal Aufstand. »Die Regierung ist weg. Alles vorbei. Die Baathisten sind geflohen wie die Ratten. Den Bürgermeister haben wir aber erwischt. Der Feigling. Er hatte Frauenkleideran und wollte sich verdrücken. Wir haben ihn im Palmenhain gestellt …«
    Der Fahrer redete die ganze Zeit, ohne Punkt und Komma. Ich wollte nicht zuhören, nur die Umgebung anschauen. Die Stadt war fast völlig in Finsternis gehüllt. Die nackte gelbe Erde vor der Stadt schien in der Dunkelheit aschgrau. Überall loderten Flammen auf. Am Straßenrand haufenweise kaputte Panzerwagen. Ich konnte im Dunkeln nichts Genaues erkennen. Aber ich spürte deutlich, dass alles verändert war. Und der Fahrer redete immer noch. »Den großen Kopf der Armee im Süden haben wir. Leider haben wir die Arschlöcher der Sicherheitspolizei nicht alle erwischt. Nur einige wenige wurden festgenommen. Die haben geheult wie Kinder.«
    Als wir in die Stadt kamen, war alles dunkel. Es gab auch hier keinen Strom. Nur die unzähligen Lichter der Öllampen und Kerzen leuchteten aus den Fenstern. Und doch war eine Menge bewaffneter Männer unterwegs. Eine seltsame Ruhe überall. Sogar im Zentrum.
    Der Bus blieb genau gegenüber dem Al-Habubi-Denkmal stehen. Ich stieg aus. Als der Bus anfuhr, rief Adnan aus dem Fenster: »Ich besuche dich bald.«
    Ich verließ Al-Habubi. Aus Jasims Haus schien das Licht flackernder Kerzen. Einige Frauen saßen vor den Haustüren. Ich ging an ihnen vorbei. Sie schauten mich an. Ich kannte sie eigentlich alle und dachte, sie würden mich auch kennen, aber keine grüßte mich. Samis Haus war völlig dunkel. Ich klopfte an die Tür. Keine Antwort. Eine der Frauen hinter mir rief: »Keiner zu Hause. Wen suchst du? Wer bist du?«
    »Ich bin Mahdi.«
    »Welcher Mahdi denn?« Sie erhob sich und kam auf mich zu. »Mahdi Hamama?« Sie blieb stehen. Starrte mich an. Den Mund offen. Und fing dann laut an zu schreien: »Mahdi ist wieder da! Hoooooooooooooo, Mahdi ist wieder da.« Sie hüpfte herum wie ein Kind. Die anderen Frauen erhoben sich ebenfalls, legten die Hand an ihre Lippen undjubelten in fast ohrenbetäubender Lautstärke. »Juju, Juju, Juju …« Diesen einzigartigen Juju-Ruf, den die Frauen immer bei Festen und Hochzeiten anstimmen, hatte ich wirklich vermisst: die Hand an den Lippen, ein Frohlocken, einem Tarzanschrei gleich.
    Hamida fiel in den Jubel ein. Sie kam mit Jasim und den Kindern aus dem Haus. Immer mehr Nachbarn tauchten auf. Die Männer freuten sich auf ihre Art: Sie feuerten aus ihren Pistolen in den Himmel. Alle weinten und lachten gleichzeitig.
    Jasim umarmte mich so heftig, dass ich beinahe keine Luft mehr bekommen hätte. Mein schwacher Körper ertrug seine kraftvollen Hände nur mit Mühe. Er bemerkte es, nahm mich zur Seite und schützte mich vor den Umarmungen der anderen, während die Frauen immer noch jubelten.
    Wir gingen ins Haus. Hamida zündete weitere Kerzen im Wohnzimmer an. Ich setzte mich auf das Sofa. Alle Nachbarn standen um mich herum und schauten mich neugierig an. Ihre Schatten bewegten sich wie Geister an den Wänden des Zimmers. Keiner sagte etwas. Alle

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