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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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ihrer vielen Kunden, genau wie Sami! Abu-Liebe bot uns also die Chance, Dich zu sehen, verlangte aber diese hohe Summe.
    Du kennst uns. Ich besitze nicht viele Güter außer meinen Büchern. Sami nur seine Tauben. Dein Onkel gar nichts, abgesehen von seiner amerikanischen Pistole. Ein Teil der Bücher, ein Teil der Tauben und die Pistole brachten nicht besonders viel Geld. Hamida und Laila retteten uns. Hamida verkaufte ihre einzige Goldkette, die sie von Deinem Onkel zu ihrer Hochzeit bekommen hatte, und Laila ihren Schmuckkasten. So kam das Geld zusammen.
    Am Freitagnachmittag fuhr ein schwarzer Mercedes vor, darin saßen zwei Männer. Wir fuhren durch die Stadt an den Rand der Wüste. Dort mussten wir eine Augenbinde anlegen. Nach einer halben Stunde Fahrt in völliger Dunkelheit erreichten wir endlich unser Ziel. In einem Zimmer befreiteman uns von den Augenbinden. Es schien eine Küche zu sein. Durchs Fenster konnten wir Dich sehen. Danach bezahlten wir die abgemachte Summe. Anschließend verbanden sie uns erneut die Augen und fuhren uns in die Stadt zurück.
    Obwohl wir sehr glücklich waren, Dich sehen zu können, waren wir auch zutiefst traurig. Sami wollte tagelang nicht reden. Er hockte nur zu Hause herum.
    Am Anfang, als die Polizei Dich festgenommen hatte, lebten wir in ständiger Angst wie alle Menschen, die Dich und Ali kannten. Wie geht es Ali? Seine Mutter ist nach seiner Festnahme sehr krank geworden. Ich hoffe, ihm geht es gut. Abu-Liebe sagte uns, er habe ihn nie gesehen.
    Ja, alle Menschen, die Dich kannten, wurden bespitzelt. Sami kannte seinen Schatten persönlich. Er war kein guter Späher. Samis Café wurde aber leider für lange Zeit nicht nur ein Treffpunkt der Taubenzüchter, sondern auch der Maulwürfe und der Baathisten. Mein Spitzel dagegen war sehr clever. Ich habe ihn nie gesehen. Spürte nur, dass er mich immer beobachtet hat. Jasims Spitzel war Alkoholiker. Er gab einmal, als er betrunken war, zu, dass er Jasim nachstellte. Die es hörten, verrieten es Jasim. Der hatte sowieso schon Ärger in seiner Behörde. Er hatte seine gute Stelle in der Tarifabteilung verloren und eine andere im Archiv bekommen, wo er ausschließlich Akten aufräumen musste. Von einem alten Vorarbeiter wurde er schlecht behandelt. Jasims Haus glich in jener Zeit einer Wüste. Keiner besuchte ihn mehr, keine Freunde, keine Verwandten. Auch die Kinder auf der Straße spielten nicht mehr mit seinen Kindern. Alle Nachbarn hatten Angst. Es waren schwere Zeiten. Sie dauerten aber nur einige Monate. Die Menschen vergaßen allmählich ihre Ängste und benahmen sich wieder wie immer.
    Ich muss zugeben, Dein Onkel Jasim, der früher so ein armseliger Taugenichts war, ist doch ein ganz besonderer Mensch geworden. Seit Du ins Gefängnis gekommen bist, hat er sich in einen anderen Menschen verwandelt, in einenliebevollen. Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Er besuchte Sami und mich, kümmerte sich um Hamida und die Kinder und fing sogar an, über Politik zu reden. Er hatte auch eine religiöse Phase. Sami vermutete, weil sein ägyptisches Mädchen ihn verlassen hat und mit einem anderen Typen weggegangen war. Ich glaube, er ist einfach alt geworden, erwachsener, erfahrener und gelassener. Ich weiß es nicht genau. Hauptsache, er hat letztlich seine Familie doch noch gut behandelt.
    Ich muss jetzt aufhören. Ich schreibe aber später noch mal an Dich. Ich muss die Nachrichten hören. Der Krieg hat heute begonnen. Die Amerikaner decken das Land seit Stunden mit Bomben und Raketen ein. Bei uns ist der Krieg nicht so heftig wie in Bagdad. Es gibt hier nur wenige wichtige Militärstützpunkte oder Verwaltungsgebäude. Aber trotzdem wurde viel zerstört. Wir haben keinen Strom, die Stromzentrale wurde von einer Rakete getroffen. Alle Brücken sind zerstört. Ein amerikanischer General verkündete heute im Radio: »Wir werden den Irak in die Steinzeit zurückbomben.« Ich schreibe infolgedessen meinen Brief jetzt im Licht einer Öllampe.
    Nasrijah, 17. Januar 1991, 20 Uhr. Razaq Mustafa
(2)
    Lieber Mahdi,
    ich konnte in den letzten Wochen kein Wort schreiben, wegen des Krieges. Und wegen meiner Traurigkeit. Wo soll ich anfangen? Der Krieg wird jeden Tag wilder. Er ist nicht vergleichbar mit dem Iran-Krieg, sondern viel schlimmer. Der erste Krieg fand an der Front statt. Dieser zieht in unsere Schlafzimmer ein. Nicht nur mit seinen Raketen, sondern vor allem mit seinen Auswirkungen. Wir haben kein Essen mehr. Selbst ein Stück

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