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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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begann wundersamerweise, die Gefangenen über ihre Vergehen, ihr Leben und ihre Träume auszufragen. Er unterhielt sich scheinbar gern mit uns, obwohl ein Wärter niemals mit einem Gefangenen Gespräche führen durfte. Sufian hatte uns einmal – vielleicht ohne Absicht – eine Menge wertvoller Informationen verraten. Adnan, der in dieser Zeit häufig mit den Wärtern redete, um etwas über die Kriegslage zu erfahren, hatte ihn nach Neuigkeiten gefragt. Da erzählte ihm Sufian, die irakischen Truppen hätten wegen der starken amerikanischen Luftangriffe, die ihre Ziele genau trafen, keine Orientierung mehr. Das gesamte kuwaitische Gebiet sei bereits befreit. Die Alliierten seien unterwegs ins irakische Landesinnere Richtung Bagdad. Viele Verhörpolizisten, Militärführer und selbst Minister seien aus den Städten verschwunden, hätten sich irgendwo versteckt oder seien ins Ausland geflohen. Man höre sogar Gerüchte, der Präsident und seine Familie seien fort.
    Sufian hörte auf zu erzählen. Er ging weg, kehrte aber nach einigen Minuten zu Adnan zurück. »Weißt du, ich will seit Tagen etwas sagen. Aber ich schäme mich. Womit soll ich anfangen? Es ist schwer. Ich will sagen, wir sind, ich meine wir Wärter, nur kleine Beamte. Kleine Ameisen. Machen, was die Großen, die Elefanten und Dickhäuter, von uns verlangen. Ich habe euch immer geschlagen. Ich musste aber. Oder ich wäre selbst aufgehängt worden. Glaub mir! Einmal hat der Wärter Salim, du kennst ihn, einem Gefangenen ein Fladenbrot mit gekochtem Ei gegeben. Als die Verhörpolizisten es mitbekamen, haben sie Salim eine Stunde am Deckenhaken aufgehängt und mit dem Elektroschockgerät gequält.«
    »Ich weiß. Wir wissen alle hier, dass du nur ein Beamter bist. Oder eine Ameise, wie du sagst. Du brauchst dich nicht zu schämen. Es ist so. Wenn du es nicht machst, tut es jemand anders.«
    »Danke!«
    »Aber sag mal, was machst du, wenn die alliierten Truppen tatsächlich herkommen?«
    »Keine Ahnung!«
    »Wenn es soweit ist, dann rette deine Haut. Du hast ja Familie!«
    »Ja. Eine Frau und zwei Kinder.«
    »Die Amerikaner werden nicht nach dir suchen. Sie wollen sicher nur die großen Köpfe, die dicken Elefanten. Warte ab, bis sich alles in den nächsten Tagen klärt.«
    »Bitte, erzähl keinem, was ich dir gesagt habe.«
    »Dein Geheimnis ruht auf dem Meeresgrund, in den Tiefen des Ozeans, im Unterdeck eines versunkenen Schiffs, in dem ein mit sieben Schlössern gesichertes Kästchen im Bauch eines gewaltigen Fisches liegt.«
    »Danke!« Sufian atmete sichtlich auf.
    »Kann ich dich um etwas bitten?« Adnan hatte Mut gefasst.
    »Wenn ich kann.«
    »Fladenbrot mit Ei oder Kartoffeln oder irgendetwas anderes!«
    »Ich versuche es.«
    Am nächsten Tag bekam Adnan zwei große Fladenbrote und acht Eier. Er behielt ein Brot und zwei Eier und verteilte den Rest an die anderen Zellenbewohner. Das war wie ein Feiertag für uns. Wir freuten uns sehr. Nach so langem Hunger war das wertvoller als Gold. Adnan erzählte uns schließlich das Geheimnis, das eigentlich im Bauch des einzigartigen Fisches bleiben sollte. Seitdem begannen wir plötzlich, psychisch gestärkt, zu träumen. An die Befreiung wollten wir aber noch nicht wirklich glauben. Es klang alles unmöglich und unvorstellbar, fast märchenhaft. Trotzdem spürte ich, bald würde etwas passieren.

    Als die Glühbirnen nicht mehr funktionierten, weil es im ganzen Land keinen Strom mehr gab, war es wieder Sufian, der die Ursache ausplauderte. Die Kampfflugzeuge der Alliierten hätten das zentrale Elektrizitätswerk zerstört. Neue Hoffnung floss durch das Dunkel und durch unsere Adern. Unsere Fantasie lebte auf. Einige behaupteten, die Amerikaner marschierten in alle Richtungen, sogar nach Bagdad, und schöben den gesamten riesigen Republikpalast mit Bulldozern unter Saddams Arsch weg. Einige wenige befürchteten, Saddam und die Baathisten würden siegen und wir das Licht der Sonne niemals wiedersehen. Diese Pessimisten änderten freilich ihre Meinung, als sie Sufians Nachrichten hörten. Said jedoch war am Anfang des Krieges auf ein ganz anderes Szenario gekommen, das sich unter den Gefangenen wie ein Lauffeuer verbreitete.
    »In den alten Büchern gibt es ein Zeichen für das Nahen des Weltendes. Ein Herrscher aus dem Zweistromland, dessen Name mit S beginnt, kämpft gegen die Träger der schwarzen, gelben, roten und weißen Flaggen. Die Armeen dieser Länder mitsamt ihren Rittern, Schiffen, Waffen und

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