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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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…!«
    »Ich weiß. Ich will trotzdem dorthin.«
    »Ich begleite dich.«
    Unterwegs fing Aloan an, über den Aufstand zu berichten. »Vierzehn Städte haben wir unter Kontrolle. Bleiben nur noch vier. Mit Gottes Hilfe werden wir bald alle kontrollieren. Danach sind wir richtig frei.«
    »Und Bagdad?«
    »Noch nicht. Aber die Männer sind schon unterwegs. Eine Armee von Aufständischen, die außer Gott niemanden fürchten, ist aufgebrochen, um den Widerstandskämpfern in Bagdad zu helfen. Wenn die Kurden auch nach Bagdad marschieren, ist unsere Aufgabe bald erledigt.«
    »Habt ihr Kontakt zu den Kurden?«
    »Leider nicht. Wir wissen nur, dass sie die Stadt Kirkuk erreicht haben. Sie sind aber nicht weiter vorgestoßen. Wir haben einen Radiosender eingerichtet. Ab morgen werden unsere Nachrichten übertragen. Dann werden die Leute auf uns hören.«
    »Und die Amerikaner?«
    »Die sind schon im Land. In der Wüste. Doch bis jetzt kam keine Reaktion. Wir haben aber im Radio gehört, dass sie Saddam verboten hätten, bewaffnete Hubschrauber oder Raketen gegen uns einzusetzen. Wenn das stimmt, dann schnappen wir diesen Mörder. Er kann uns ohne seine Flugzeugeund Raketen niemals entkommen. Und wenn das nicht stimmt, dann kämpfen wir, und der liebe Gott ist auf unserer Seite. Er wird uns nicht im Stich lassen.«
    Wir erreichten das Café. Es war geschlossen. Auch alle anderen Cafés und Geschäfte hatten zu. Aloan legte seine Hand auf meine Schulter. »Die Aufständischen wollen mit dir reden. Wir kommen morgen oder übermorgen zu dir. Einverstanden?«
    Ich sagte kein Wort, drehte mich um und kehrte nach Hause zurück. Er folgte mir. Wir gingen schweigend nebeneinander her.
    Zuhause im Wohnzimmer traf ich nur Hamida und die Kinder an. »Möchtest du etwas essen?«, fragte Hamida.
    »Nein, danke! Ich gehe schlafen.«
    Als ich die Tür meines Dachzimmers aufsperren wollte, bemerkte ich, dass sie gar nicht verschlossen war. Das Licht einer Kerze flackerte im Raum. Vorsichtig trat ich ein, blickte mich aufmerksam um und erkannte eine Gestalt, die auf der Couch saß, ihr Schatten gespenstisch an die Wand geworfen. Die Gestalt bewegte sich. Ich kniff die Augen zusammen. Doch ich konnte nichts erkennen.

    In den Augen der Viertelbewohner, die mich früher als Hamama kannten, der außer den Tauben und ihren Geschichten nichts im Kopf hatte, war ich plötzlich eine Berühmtheit. Im Grunde konnte sich keiner erklären, wieso ich zwei Jahre meines Lebens in Haft verbracht hatte. Jeder wusste nur, dass es wegen der Politik war. Offenbar genügte das den meisten, um mich zum Helden zu erheben. Was mich persönlich betraf, hasste ich ihr überschwängliches Lob. Ich hasste es, über die Haft sprechen zu müssen. Was sollte ich auch davon erzählen? Wer konnte denn nachvollziehen, was ich durchgestanden hatte?
    Freilich, die Leute waren verständnisvoll. Wenn ich eswieder einmal ablehnte, ausführlicher über das Gefängnisleben zu reden, antwortete jeder: »Vergessen ist eine Gnade! Vergiss es einfach! Wir sind die Kinder von heute!«
    Aber ich konnte wenigstens den anderen zuhören. Ich ließ mir von ihnen erzählen, was sich während meiner Haft zugetragen hatte. Und musste feststellen, dass mir wirklich eine ganze Menge entgangen war.
    Hamida berichtete mir von den Bewohnern des Viertels. Wer gestorben war, von Hochzeiten, wer von der Polizei festgenommen worden, wer von der Front geflohen oder gefallen war. Und auch, wen die Aufständischen erwischt hatten.
    »Maroan, der Langfinger. Du kennst ihn. Der als Maroan Dolch bekannt ist, weil er niemals ohne Dolch unterwegs war.«
    »Ich kann mich nicht an ihn erinnern. Was ist mit ihm?«
    »Der war ein Dieb. Kräftig und mit vielen Kratzern und Narben auf der rechten Wange. Er ist ein Diener Gottes geworden. Ein Führer in unserer Armee, die an der Grenze der Stadt lagert. Er kämpfte richtig gegen die Hurensöhne, die Baathisten. Zu Beginn des Aufstandes ermordete er eine ganze Menge von ihnen. Er tötete auch Salam Fluss und kreuzigte seine Leiche an einem Baum.«
    »Wer ist Salam?«
    »Salam Fluss. Der Sänger.«
    »Ich kenne ihn nicht.«
    »Der ist aber bekannt geworden. Du kennst ihn wirklich nicht? Seltsam! Sein Lied über den Tigris, Fluss der Liebe, war nach dem Iran-Krieg sehr beliebt. Seitdem nannte man ihn nicht nur Salam, sondern Salam Fluss. Er hat mit diesem Lied nicht schlecht verdient. Er konnte ein hübsches Mädchen heiraten und einen Volkswagen kaufen. Als du im

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