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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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Gefängnis warst, war Salam noch mal im Fernsehen. Er hat wieder getanzt und gesungen. Aber dieses Mal ein Geburtstagslied für Saddam. Seitdem lebte er eigentlich in Bagdad. Als der Aufstand begann, war er zufällig hier im Haus der Familie seiner Frau. Ja. So wurde er erwischt.«
    »Pech für ihn!«
    »Und weißt du, was mit Hasnaa, unserer Nachbarin, passiert ist?«
    »Nein. Erzähl!«
    »Ihr Verlobter, der mit ihrem Vater verwandt ist, kommt aus Basra. Ein Bäcker, der eine eigene Bäckerei im Stadtzentrum besitzt. Eine sehr große Bäckerei. Viele Mädchen waren deswegen neidisch auf Hasnaa. Na klar! Jede wollte einen so wohlhabenden Mann. Und noch dazu war er gar nicht mal hässlich und nur acht Jahre älter als sie. Hatte einen schönen großen Bauch. Ja, die Reichen haben immer schöne Bäuche. Und eine Glatze hatte er auch. Wohl ein Zeichen für seine Weisheit, oder? Leider hat die arme Hasnaa sich nicht lange über die gute Partie freuen können. Eines Tages, genau vier Wochen vor der Hochzeit, ist er verschwunden. Ganz genau vier Wochen nach der Eroberung von Kuwait. Man sagte, er habe seine Schwester besuchen wollen, die in Kuwait verheiratet ist. Seitdem ist er nicht wieder aufgetaucht. Seine Familie befürchtete, dass er in Kuwait auf der Straße erschossen worden ist. Der Täter soll ein irakischer Soldat oder ein kuwaitischer Regierungsgegner gewesen sein. Seine Schwester, die mit einem Kuwaiti verheiratet ist, ist auch nicht mehr aufgetaucht. Und Hasnaa heult seitdem und wartet darauf, dass ihr Verlobter auf einem weißen Pferd zu ihr zurückkehrt.«
    »Gibt es auch gute Nachrichten?«
    »Ja. Du bist aus dem Gefängnis befreit worden.«
    Einige Leute berichteten vom Krieg. Darüber wollte ich anfangs alles erfahren, später immer weniger. Jasim erzählte gern davon. Er wusste über alles Bescheid: den Hintergrund des Konflikts, den Kriegsverlauf, einschließlich der Zahl der Soldaten. Alle Daten, egal ob es um den Luftoder den Bodenkrieg ging. Er sprach sogar vom sogenannten Medienkrieg, der besonders heftig getobt haben soll, und über die militärische Technik, die vor allem von den Alliierten eingesetzt wurde. Als er einmal über dieZahl der irakischen Opfer redete, konnte ich es nicht mehr ertragen.
    »Die Amerikaner nennen eine Zahl gefallener Soldaten auf unserer Seite und die Iraker eine andere. Im iranischen Radiosender habe ich die Zahl 40 000 bis 75 000 gehört, dazu 35 000 zivile Todesopfer, 71 000 Kriegsgefangene bei den Amerikanern. Und dazu die Zahl der Invaliden …«
    »Onkel! Ich will keine Zahlen mehr, bitte! Genug! Und erzähl mir nie mehr davon!«
    Die Berichte über den Krieg waren schrecklich. Er hatte viele unterschiedliche Namen. Die amerikanischen lauteten »Operation Desert Shield« und »Operation Desert Storm«. Für die irakischen Machthaber hieß er »Um-Al-Maarek – Mutter aller Kriege«. Für die Kuwaitis: »Krieg der Befreiung Kuwaits«. Und für den Rest der Welt »Golfkrieg«.
    Ich hörte auch neue Namen von Flugzeugen, Bomben oder Raketen, die sogar die Kinder auf der Straße kannten und in ihren Spielen verwendeten. Shaker war begeistert, mir einige aufzählen zu können: »B-52, BLU-82B, Patriot, SCUD … Schwerter wurden aber nicht benutzt!«
    Im Laufe der Zeit, obwohl ich nachts noch von Albträumen gequält wurde, spürte ich eine Art Beruhigung, die sich allmählich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Seit dem Ausbruch des Aufstands merkte ich, wie die Menschen wieder zu ihrem gewohnten Alltagsleben zurückkehrten. Keine Baathisten. Keine Grausamkeiten mehr. Kein Fernsehterror und keine Regierungspropaganda. Wie in einem Märchen, in dem das Böse besiegt worden ist, in dem die Sonne scheint, die Vögel singen und die Blumen blühen. Das war wirklich ein gutes Gefühl. Und viele hatten nur eines im Kopf: den Aufstand weiter auszudehnen und eine neue Regierung zu bilden, damit sich dieses neue Leben weiter entwickeln und stabilisieren konnte.
    Die einfachen Leute hatten keine Angst zu sagen, was sie sagen wollten, und zu tun, was sie tun wollten. Sie wünschten sich, diesen Zustand für immer zu bewahren. Die Aufständischengewährleisteten ein sicheres Leben für alle. Essen gab es genug. Die Leute hatten einfach sämtliche Lebensmittel aus den staatlichen Lagern mitgenommen. Alles war billig und überall erhältlich. Geldmangel existierte fast nicht mehr, außer beim Kauf größerer Waren. Für die kleinen, alltäglichen Dinge des Lebens bevorzugte man

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