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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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»Er ist es nicht wert, er ist nur ein kleines Rädchen«, murmelte ich und ging schnell nach draußen.
    Ich war schon im Hof der Schule, als Aloan seine Hand auf meine Schulter legte. »Was ist los?«
    »Ich will allein bleiben. Bitte!«
    »Wie du möchtest!«
    Ich ging eilig davon, verließ die Schule und marschierte einfach drauflos. Ich lief fast fünf Minuten, wie ein Besessener. Nur Wut in mir und eine unendliche Verwirrung. Dann blieb ich auf einem kleinen Platz stehen, mit einer Kinderschaukel in der Mitte. Am Straßenrand entdeckte ich einenStein und setzte mich darauf. Ich legte meine Pistole, die ich gar nicht richtig benutzen konnte, neben mich und betrachtete den menschenleeren Platz.
    Alles war ruhig. Und ich spürte zwei Wesen in mir.
    »Was für eine absurde Welt! Dein Folterer ist im Gefängnis. Du kannst ihn nun foltern, genau wie er dich. Sein Wärter oder Richter werden«, überlegte der eine Mahdi.
    »Ein Fall von schicksalhaftem Rollentausch.«
    »Du würdest ihn gern schlagen, bis er nicht mehr aufstehen kann. Oder?«
    »Aber ich habe die Gewalt doch immer gehasst«, wandte der andere ein.
    »Dieses Mal aber nicht. Du willst es wirklich. Hassen. Aus der Tiefe deines Herzens.«
    »Trotzdem bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. Oder?«
    »Du wolltest es aber. Kehre zurück und verprügle den hübschen Hurensohn!«
    »Mahdi! Ich muss an was anderes denken. Nicht an Rache.«
    »Aber wieso? Warum nicht? Wieso solltest du immer die Rolle eines Engels spielen? Du bist kein Engel mehr. Den Engel in dir haben sie längst getötet. Räche deine Unschuld an denen, die sie umgebracht haben!«
    »Denk nicht so viel daran! Das ist Vergangenheit! Sei du, wie du bist, und leb dein Leben!«
    »Geh und mach das Arschloch fertig! Hast du Shruq schon vergessen?«
    »Dieser junge Polizist ist genauso zufällig in seine Position und Situation hineingeraten, wie ich ins Gefängnis geworfen wurde. Es ist nur ein Zufall, wohin wir im Leben geraten. Geh nach Hause! Oder such deinen Freund Adnan! Er kann dich bestimmt gut verstehen …«

    Adnan zu finden, war nicht einfach. Ich wusste nur, dass er in der Zwanzigerstraße wohnte, aber die bestand aus einer langen Häuserreihe. Ich fragte an einer Haustür. Ein alter Mann kannte ihn, aber er behauptete, Adnan sei schon seit Tagen nicht mehr zu Hause aufgetaucht. Ich solle im Büro der Kommunistischen Partei nach ihm fragen. Der Mann wusste aber nicht, wo sich dieses Büro befand.
    Den ganzen Nachmittag forschte ich in der Stadt nach irgendeinem Schild von Adnans Partei. Aber ich sah keines. Alle religiösen Parteien hatten ein eigenes Büro eingerichtet, in einer Schule, in einem alten Verwaltungsgebäude oder in einem einfachen Geschäft. Einige hatten die Häuser der ehemaligen Generäle und Polizisten umfunktioniert. Adnan und seine Kommunisten waren nirgends zu finden. Erst am Abend erzählte mir Jasim, sie seien im Großen Basar.
    Als ich am nächsten Tag dorthin kam, konnte ich kaum glauben, wie die Parteien und Organisationen den Basar aufgeteilt hatten. Er bestand aus drei Gängen: die Fleischabteilung, die Lebensmittel- und Gemischtwarenabteilung sowie die Obst- und Gemüseabteilung. Die Kommunisten waren in einem Geschäft der letzteren zu finden. Verschiedene schiitische Parteien hatten einige Stände in der Fleischabteilung okkupiert. Die anderen, kleineren Gruppierungen sammelten sich in der Lebensmittel- und Gemischtwarenabteilung. Und trotzdem gab es immer noch jede Menge Geschäfte, die wie eh und je ihre Waren verkauften. Scharenweise waren Leute unterwegs, um einzukaufen oder die Parteibüros aufzusuchen.
    Als ich das Büro der Kommunisten erreichte, saßen zwei Männer an einem Tisch. Sie beachteten mich überhaupt nicht. Ich klopfte an die Tür und war schon versucht zu sagen: »Entschuldigen Sie, ich hätte gern zwei Kilo kommunistische Tomaten und sozialistische Frühlingszwiebeln!«, verkniff es mir aber dann doch.
    »Ja, bitte«, sagte der eine mit einem fröhlichen Gesicht.
    »Ich suche Adnan. Ist er da?«
    Als der Mann mich nach meinem Namen fragte und ich mit »Mahdi« antwortete, erkannte er mich sofort. »Mahdi Hamama! Adnan hat viel von dir erzählt. Er hat sich schon gedacht, dass du nach ihm suchen würdest. Ich bin Abu-Walid, sein Freund.«
    Abu-Walid ließ mich am Tisch Platz nehmen und bat seinen Genossen, uns aus dem Teehaus im Basar Tee zu bringen. Er erzählte mir, Adnan sei mit einigen Männern, die Englisch sprachen, zu den

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