Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Kraterrand, nahe den Windmühlen, führte sie ein Hohlweg auf eine weite Ebene. Das Land erinnerte ihn ein wenig an die Gegend um Lanzac, nur dass es hier mehr Wasser gab. Akazien spannten ihre fächerförmigen Kronen über kleine Gärten. Überall hörte man Wasser. Ein paar Meilen entfernt erhoben sich blaurote Berge. Ein gutes Stück voraus blinkte etwas: die Rüstungen der Ritter, die zum Hafen gekommen waren.
Eine Zeit lang folgten sie dem Zug der Novizen, und Luc begann sich wieder Hoffnungen zu machen. Bestimmt gab es einen ganz einfachen Grund dafür, dass er nicht mit den anderen ritt. Vielleicht hatten sie für ihn keine passenden weißen Gewänder gehabt. Oder es waren nicht genügend Schimmel für alle Novizen vorhanden. Sicher schämte sich Michelle, ihm das zu sagen, und war deshalb so still.
Das Land veränderte sich. Es wurde trockener. Die Gärten verschwanden und wichen Felsen und halb verdorrtem Gras. Der Weg senkte sich und führte zu einer Brücke, die sich über eine tiefe Felsspalte spannte.
Als sie auf der anderen Seite der Senke ankamen, gabelte sich die Straße. Und Michelle schlug einen anderen Weg ein,
als die Novizen vor ihnen genommen hatten! Gerade noch konnte er ihren Zug erkennen, so weit waren sie voraus. Außer einigen alten Karrenspuren gab es keinen Hinweis darauf, dass den anderen Weg je jemand benutzte.
Luc blickte zu der Staubwolke in der Ferne. Es konnte keine andere Erklärung geben. Ihm war ein anderer Weg bestimmt. Aber welcher?
Er wagte es nicht, Michelle zu fragen, wohin sie ihn brachte. Das hieße, das Übel beim Namen zu nennen. Nein, ganz bestimmt würde er nicht darüber sprechen …
Die Mittagshitze begann Luc zu schaffen zu machen. Er hatte es versäumt, seinen Wasserschlauch an einem der Brunnen in der Stadt aufzufüllen. Der Staub brannte ihm in der Kehle. Das Land wurde immer trockener.
Ihre Pferde kämpften sich einen steilen Hügelweg hinauf. Auf der Kuppe angekommen, zügelte die Ritterin ihren Hengst. »Dort ist es.«
Luc blickte hinab auf einen eigenartigen See. Zwei tote Bäume am Ufer waren mit einer unnatürlichen, gelben Kruste überzogen. Das Wasser des Sees war von einem unwirklichen Blau, das zum Ufer hin über Türkis und Giftgrün schimmernd die Farben wechselte. Auch die Uferfelsen waren von etwas Gelbem überzogen, das aus dem Wasser heraus zu wuchern schien.
Am gegenüberliegenden Ufer stieg dichter Dampf aus einer Felsspalte, und ganz in der Nähe sah Luc ein Haus. Es war ein schlichter Steinbau mit einem flachen Dach. Verblasste rote Fensterläden wirkten wie entzündete Augen. Ganz in der Nähe war ein Pferd angebunden.
»Du wirst dort erwartet.« Michelles Stimme klang bedrückt.
»Von wem?«
»Von dem Mann, der entscheiden wird, was weiter mit dir geschieht.«
Sie mied es, ihm in die Augen zu sehen.
»Ich … ich wollte dir dafür danken, dass du mich gerettet hast. Und … ich bin gern mit dir geritten. Du bist ein guter Junge, Luc.«
Er schluckte. »Werden wir uns nicht mehr wiedersehen?«
»Das weiß ich nicht. Ich werde hier auf dich warten.«
Luc sah hinab zu dem Haus. Wer lebte inmitten einer solchen Einöde?
»Wer erwartet mich dort?«
»Das darf ich dir nicht sagen. Nur so viel. Er schätzt Mut höher als alles andere. Ein tapferes Herz ist das Einzige, was ihn zu beeindrucken vermag. Was immer er von dir verlangen mag, vergiss das nicht. Dann wird es dir nicht schlecht ergehen.«
DAS ALLSEHENDE AUGE
Luc wand die Zügel seines Rappen um den Ast eines toten Baums. Zögerlich betrachtete er das Rapier, das vom Sattel hing. Gern hätte er die Waffe umgeschnallt. Er würde sich mehr wie ein Mann fühlen, der sich jeder Gefahr stellte. Doch die Klinge war zu lang. Sie war eben für einen richtigen Mann geschaffen. Wenn er damit herumstolzierte, würde er nur noch kindlicher aussehen. Schweren Herzens ließ er sie an ihrem Platz.
Luc tätschelte die Nüstern der Stute, die unruhig mit den Hufen scharrte. Dies hier war ein Ort des Todes. In der Senke mit dem See wuchs kein einziger Grashalm, und das seltsame Wasser hatte sogar die Bäume umgebracht. Seine Stute wollte nicht hier sein. Mit weiten Augen sah sie ihn an und schnaubte.
»Ich komme gleich wieder«, sagte er, ohne sehr zuversichtlich zu klingen. Einen Herzschlag lang suchte er nach einem Grund, noch etwas zu verweilen. Aber es war sinnlos, die Begegnung weiter hinauszuzögern. Er musste in dieses Haus und sich dem stellen, der dort auf ihn wartete.
Luc
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