Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Ollowain, der Schwertmeister Albenmarks, blickte von den Zeichnungen auf. »Ich glaube nicht, dass man so etwas bauen kann. Sie werden kentern.«
Die Königin nickte in Richtung der Silberschale neben ihrem Thron.
»Ich habe sie gesehen.«
Sie war vorsichtig damit geworden, in das Wasser der Schale zu blicken.
Nach all den Jahrhunderten wusste sie immer noch nicht zu sagen, ob die Silberschale ein Fluch oder ein Segen war. Sie offenbarte eine mögliche Zukunft. Doch waren die Bilder trügerisch. Mit jeder Entscheidung in der Gegenwart wandelte und verzerrte sich das, was am Vortag noch gewiss erschienen war. Nur eines zeigte die Schale immer wieder: den Untergang Albenmarks. Seit Jahrhunderten kämpfte sie dagegen an. Alles hatte sie getan, um dieses Schicksal abzuwenden. Sie war eine Tyrannin gewesen und zugleich eine Sklavin. Die Sklavin der Silberschale.
Ollowain strich sich das lange blonde Haar aus dem Gesicht. Sie fand ihn immer noch anziehend, sah in ihm den Mann, der er einst gewesen war. Im silbrigen Licht des Thronsaals wirkten seine Augen grün. Sie änderten manchmal ihre Farbe. Sie wusste, im hellen Sonnenlicht würden sie blau sein. So vieles wusste sie über ihn.
»Wozu werden wir die Schiffe brauchen?«
»Um einem jungen Ritter das Herz zu brechen.«
Die kleinen Fältchen um seinen Mund vertieften sich. Ihr
Schwertmeister beherrschte sich, aber sie wusste, dass ihre Antwort ihn verärgert hatte. Sie kannte ihn so gut.
»Herrin, ich werde dir besser dienen, wenn du nicht in Rätseln zu mir sprichst.«
Sie musste lächeln.
Er war sehr verärgert, wenn er sie Herrin nannte. »Ich kann dir nur sagen, was ich sehe. Es ist die Silberschale, die dieses Rätsel aufgibt. Immer wieder sehe ich dort einen jungen Menschensohn. Er wird wichtig sein, eines Tages. Wenn er glücklich wird, dann wird er Albenmark zerstören. Wenn wir ihn töten, dann wird Albenmark ebenfalls zerstört werden. Aber wenn wir sein Herz zerbrechen, dann wird er uns vielleicht retten.«
»Ich bin Krieger. In solche Intrigen möchte ich nicht verstrickt werden.«
Er gab es nicht auf. Selbst nach alldem, was geschehen war, wollte er immer noch der Ritter sein. Makellos. Allein seiner Ehre ergeben. Auch das liebte sie an ihm.
»Du bist schon in diese Intrige verwickelt. Du wirst ihr nicht entfliehen können. Dein Handeln wird den Ausschlag geben.« Sie legte die Hand auf die Zeichnungen. »Und diese Schiffe.«
Der Schwertmeister seufzte. »Hat dir deine Schale verraten, wer so etwas bauen kann?«
»Brandax Mauerbrecher. Du musst ihn aus Drusna zurückholen. «
»Das geht nicht. Er bereitet den Angriff auf Paulsburg vor. Wenn wir den Festungshafen erobern ….«
Die Königin schüttelte den Kopf. »Wir werden diese Stadt nie mehr zurückerobern, Ollowain. Und wenn wir unsere Kräfte vor ihren Erdwällen, Gräben und Vorwerken verbluten lassen, dann wird das unseren Feind nur schneller nach
Albenmark bringen. Wir müssen sie an anderer Stelle angreifen. Nicht dort, wo sie mit uns rechnen.«
»Und wo wird das sein?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Emerelle. »Wir werden es von Silwyna erfahren.«
Die Fältchen um Ollowains Mundwinkel wurden noch ein wenig tiefer. »Schön, dass man noch einmal von ihr hören wird. Sie ist seit einem Jahr verschwunden. Wie es scheint, ist sie der Fährte der Prinzessin nach Aniscans gefolgt. Aber auch sie scheint keinen Erfolg dabei zu haben, hinter die Mauern der Heptarchenpaläste zu gelangen. Ihre Spur hat sich verloren.«
Emerelle wünschte, sie wüsste mehr. Doch allzu oft verwehrte ihr die Silberschale gerade das Wissen, das sie am dringendsten suchte.
Sie wünschte sich auch, sie wäre stärker. Zu viele Stunden hatte sie damit verbracht, das Schicksal Ollowains zu ergründen. Sie wusste, dass es nie mehr so sein würde wie einst, auch wenn er ihr auf seine Art stets treu bleiben würde.
»Wann wirst du die Schiffe brauchen, Herrin?«
Ollowain wechselte gern das Thema, wenn er sich zu sehr über etwas ärgerte. Sie versuchte, ihre Traurigkeit vor ihm zu verbergen. Und sie ahnte, dass es ihr nicht gelingen würde. Sie waren sich zu nah gewesen, um noch etwas voreinander verbergen zu können. Aber er würde sie nicht darauf ansprechen. Er hatte sie nie bedrängt. Leider.
»Sehr bald. Uns bleiben nur wenige Jahre. Ich kann nicht sagen, wie viele.«
»Du glaubst, dass König Wolkentaucher uns folgen wird? Sie waren nie mehr unsere Kampfgefährten, seit Melwyn …«
Schon wieder ein
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