Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
verinnerlicht haben.«
Luc fand den Kommentar der Ritterin ungerecht. Sie war in eine Falle gelockt worden!
»So zu kämpfen, ist nicht ritterlich!«
»Was ritterlich ist und was nicht, entscheiden die Sieger.«
Der Junge sah Michelle verwundert an. War das wirklich ihre Meinung?
Sie bemerkte seinen Blick. »Was glaubst du, worum es da geht, Luc? Du siehst vielleicht ein grobes Spiel. Aber es ist viel mehr. Mit dem Buhurt bereiten wir euch auf den Krieg vor. Alles, was dort unten geschieht, hat seine Gültigkeit auch auf dem Schlachtfeld. Eine Kriegerin, die ihren Posten in einer Kampfreihe verlässt, vergeudet nicht nur ihr Leben, sie öffnet den Angreifern auch eine Lücke in der Verteidigung.«
Luc sah die Löwin im Schlamm liegen und beobachtete, mit welch unbarmherzigem Geschick die Hengste vorgingen. Sie griffen nur zwei der drei Pfähle aus der letzten Reihe an.
Doch dort drangen sie gleich über mehrere Ketten vor. Stets ging ein Kämpfer mit einem Holzschwert voran, und dicht hinter ihm hielt sich ein zweiter mit einem Kampfstab, der über die Schulter des Schwertkämpfers hinweg auf den Verteidiger einstach. Zwei weitere Löwen stürzten unter dem massiven Angriff in den Schlamm. Nur ein einzelner Speerkämpfer der Hengste hielt sich ein wenig zurück. Alle anderen kämpften in vorderster Linie.
Ihr ganzer Jahrgang feuerte die Hengste an, während Luc aufgesprungen war und immer wieder »Löwen, Löwen, Löwen! « rief.
Die Mehrheit des Publikums schien auf Seiten der jüngeren Novizen zu sein. Jedenfalls kam es Luc so vor, als seien die Löwen-Rufe viel lauter als die der Anhänger der Hengste. Und als habe all ihr Geschrei ein kleines Wunder beschworen, brach plötzlich Robert de Grace aus den Reihen seiner Kämpfer hervor. Sein Angriff kam offensichtlich überraschend. Zwei Hengste wurden in den Schlamm gestoßen. Die LöwenRufe fegten wie ein Orkan über die Grube hinweg.
Luc winkte wild mit den Armen. Und sein Herz schlug in dem Takt, in dem Hunderte Novizen »Lö-wen, Lö-wen« skandierten.
Robert hatte es geschafft. Er war an den Angreifern vorbei und stürmte auf das andere Ende der Kettenspindel zu, dort, wo völlig unbewacht die Fahne der Hengste wehte. Er würde es schaffen.
Der einzelne Junge mit dem Kampfstab duckte sich ein wenig und vollführte eine schwungvolle Drehung. Er hatte seinen Stab am äußersten Ende gepackt und ließ ihn nun davonschnellen. Sich drehend, wirbelte der Stab dicht über die Ketten hinweg. Die Löwen-Rufe erstarben. Robert blickte über die Schulter, und genau in diesem Augenblick traf ihn
der Stab in die Kniekehlen. Bis zu den Rängen hinauf konnte Luc den wuchtigen Aufschlag hören. Robert knickte ein wie eine gefällte Eiche. Sein Gesicht war vor Schmerz verzerrt. Er stürzte in den Schlamm.
Freudengeschrei erklang unter den Anhängern der Hengste. Und mit neuer Wut stürmten die Angreifer den Löwen entgegen. Diese kämpften tapfer, aber sie standen auf verlorenem Posten. Nur zwei von ihnen waren noch übrig, als die Hengste bis zur Löwenfahne vordrangen und sie triumphierend in die Höhe rissen. Das Spiel war vorüber.
Luc war enttäuscht. »Der Trick mit dem geschleuderten Stab … Also, das war …«
»Nicht ritterlich?« Michelle legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ach, Junge. Genau darum geht es. Wir sind Ritter, und wir haben uns bestimmten Tugenden verpflichtet. Aber im Kampf gegen die Anderen sind diese Gesetze der Ritterlichkeit aufgehoben. Wenn ihr einen Elfenritter stellt, dann kämpft nur, wenn ihr zu dritt auf ihn eindringen könnt. Das wird eine der ersten Lektionen sein, die ich euch beibringe. Und eine geschlossene Formation, in der ihr euch bedingungslos auf eure Kameraden rechts und links verlassen könnt, ist die einzig sinnvolle Schlachtordnung. Ein Mensch müsste hundert Jahre lang Fechtstunden nehmen, um es mit einem Elfenritter aufnehmen zu können. Es ist unritterlich und feige, wenn euch ein solcher Krieger zum Duell fordert. Ihr könnt nur unterliegen.«
Sie strich sich das Haar aus der Stirn und schien durch ihn hindurchzublicken. Ob sie wohl schon einmal einem Elfenritter gegenübergestanden hatte?
Plötzlich lächelte sie.
»Hast du schon deine erste Herausforderung zum Duell erhalten?«
Luc war sprachlos. Er starrte sie an. Woher wusste sie das?
Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Ich habe mir gedacht, dass es nicht lange dauern würde. Und ist er gut? Hast du ihn schon einmal kämpfen sehen? Ich hoffe, du wirst
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