Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Gishild nach langem Schweigen. Und sie sagte es in einem für sie ungewöhnlich versöhnlichen Tonfall.
»Wenn Magister Drustan kommt …«
»… dann werde ich ihn sehen, lange bevor er uns erreicht. «
Jetzt brach ihre widerborstige Art wieder durch, dachte er traurig. Mehr als ein halbes Jahr waren sie nun in derselben Lanze, und sie hatten kaum ein Dutzend Sätze miteinander gesprochen. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, weil sie anders war, so wie er. Er hatte Gott verraten und Michelle enttäuscht. Er war den Götzen zu nahe gewesen, und trotz aller Frömmigkeit hatte er das Gefühl, dass er diesen Makel niemals loswerden würde. Und Gishild … Sie machte keinen Hehl daraus, sich Tjured zu verweigern. Sie hätte gar nicht hier sein dürfen, so sehr, wie sie sich gegen den Glauben
sperrte. Aber sie war es … Und Gott hielt nicht Gericht mit ihr für all ihre Missetaten. Warum? Gab es für ihn auch Hoffnung? Konnte er von ihr lernen? Und was konnte er sagen, um das verfluchte Schweigen zu beenden? Er war nicht gut darin, einfach zu plaudern. Mit einem Mädchen war das alles irgendwie auch noch schwieriger.
»Ich mag es, dass du nicht zu viel quatschst«, sagte sie überraschend. Sie sah ihn dabei nicht an, blickte einfach in die Ferne. Nach Norden. Dorthin, wo Drustan bald auftauchen musste.
Luc wollte etwas darauf sagen, aber er brachte nur ein heiseres Räuspern hervor. Es war angenehm, hier einfach bei ihr zu stehen. Schweigend die kühle Nachtluft zu atmen. Seine Füße wurden ihm langsam kalt. Er hatte in seiner Eile keine Socken angezogen.
»Ich finde, Drustan ist oft ungerecht zu dir«, fuhr sie fort. »Er ist schwierig. Ich glaube, er ist nicht mehr richtig im Kopf.«
»Ja.«
Luc hätte sich verfluchen können. Warum fiel ihm denn nichts Besseres ein, als einfach Ja zu knurren? Über Drustan hätte er wahrlich reichlich zu sagen gehabt.
Gishild lachte leise.
»Wusstest du, dass er Stühle erschießt?«
»Was?«
Nein, das durfte nicht wahr sein! Was war denn mit seiner Zunge los? Und mit seinem Verstand!
»Den letzten Winter habe ich mit ihm und einer Magd in einem Wachturm auf einer einsamen Insel verbracht. Er kommt nicht darüber hinweg, seinen Arm verloren zu haben. Er war wohl einmal ein Fechtmeister … einer von Liliannes Löwen. Ohne den Arm, so sagt er, sei er als Fechter aus dem Gleichgewicht. Deshalb übt er Pistolenschießen. Er will
als Ritter nicht ohne Waffe dastehen. Und zu den Gevierten mag er noch nicht gehören, denen, die hierher zurückkehren, um Valloncour nicht mehr zu verlassen. Er nennt sie lebendig begraben. In dem Wachturm jedenfalls hat er immer auf die Lehne eines Stuhls geschossen. Um zu üben. Manchmal auch, um mir und Juztina Angst zu machen. Er hat nicht sehr oft getroffen. Er ist wohl auch, was das Schießen angeht, aus dem Gleichgewicht.« Sie lachte. »Völlig verrückt, nicht wahr? Und ausgerechnet ihn macht man zu unserem Magister. Dein Gott hat Sinn für verdrehte Geschichten.«
Es bekümmerte ihn, wie tief ihre Trennung von Gott war. Aber es freute ihn, dass sie endlich mit ihm sprach.
»Du hattest einen guten Fechtlehrer.« Endlich brachte er einen vernünftigen Satz hervor.
»Eine Lehrerin! Ich vermisse sie …« Plötzlich drehte sie sich um und sah ihn an. »Es tut mir leid, dass ich dir wehtun wollte. Bei unserem Duell …«
Luc erinnerte sich ungern an den Zweikampf. »Ich hatte einen schlechten Tag«, murmelte er.
Sie grinste, und ihre Augen strahlten im Sternenlicht.
»Gegen mich hättest du nur schlechte Tage. Ich bin besser als du.«
Luc war eingeschnappt. Das stimmte nicht! Und er hatte wirklich einen schlechten Tag gehabt. Außerdem hatte er vorher gegen Bernadette gekämpft und war nicht ausgeruht in das Duell mit Gishild gegangen. Er öffnete den Mund … Und schwieg. Wenn er etwas sagte, würde das Strahlen in ihren Augen verlöschen. Das wollte er nicht. Und sein Schweigen änderte ja nichts daran, dass er recht hatte.
»Du hattest auch eine gute Lehrerin«, sagte sie. »Es ist ungewöhnlich, einen Ritter zum Mentor zu haben, bevor man hierherkommt, nicht wahr? Ich meine … Alle wurden durch
einen Ordensritter vorgeschlagen … Aber dass man so viel Zeit allein mit einem Ritter hat, das ist selten, oder?«
Luc war sich da nicht ganz sicher. Trotzdem nickte er. Er wollte, dass sie beide etwas Seltenes teilten.
»Wie war es mit Schwester Michelle?«
Was sollte er darauf sagen? Dass sie an der Pest erkrankt war? Dass sie ein
Weitere Kostenlose Bücher