Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Arkebusen selbst dann noch anhaftete, wenn sie tagelang nicht abgefeuert worden waren.
Gishild verharrte. Mit all ihren Sinnen suchte sie die Wachen. Hier, am Übergang zwischen den Postenketten der verfeindeten Parteien, war die Gefahr am größten, entdeckt zu werden. Die Wachen waren hier ganz bei der Sache, und es gab doppelt so viele von ihnen wie weiter hinten.
Gishild tauchte ihre Hände in den dunklen Schlamm zwischen den Wurzeln einer Eiche und schmierte sich die Erde ins Gesicht. Nur das Weiß ihrer Augen würde sie jetzt vielleicht noch verraten. Sie schloss die Lider halb und duckte sich. Unter einem Haselbuschdickicht fand sie einen Pfad, den wohl gelegentlich ein Dachs benutzte. Dort zwängte sie sich entlang, vor den Blicken verborgen.
Ganz nahe hörte sie plötzlich zwei Stimmen. Ihr Klang war fremd. Die Geräusche des Waldes verschluckten die Worte. Leises Lachen folgte, Sporen klirrten. Durch das Dickicht sah sie Reiterstiefel mit steifer Stulpe.
Der Wind hielt den Atem an. »Die Dunkelhaarige mit
dem kleinen Mädchen würde ich nicht von der Bettkante stoßen.«
Ein Grunzen war die Antwort.
Gishild wagte kaum zu atmen.
»Es heißt, sie sei eine entlaufene Sklavin«, fuhr die Stimme fort. »Was glaubst du, wie es so eine ins Bett eines Königs geschafft hat?«
Gishild hätte dem Mistkerl am liebsten ihren Dolch in den Knöchel gestoßen. Bei Hof wagte es niemand, so von ihrer Mutter zu sprechen! Ja, sie war eine Fremde. Man hätte blind sein müssen, um das nicht zu bemerken. Mit ihren schwarzen Haaren und dem goldenen Schimmer ihrer Haut unterschied sie sich von den anderen Frauen bei Hof wie eine Rose von einer Kornblume. Eine Sklavin war sie bestimmt nicht gewesen. Wie hätte eine Sklavin Königin sein können …
Die Schritte der Wachen schmatzten im dicken Schlamm. Sie entfernten sich, und ihre Worte wurden erneut zu unverständlichem Murmeln.
Gishild wartete. Sie lauschte auf den Wind und wollte die Worte vergessen, doch sie waren wie mit einem glühenden Eisen in ihr Gedächtnis gebrannt. Wie kamen diese Mistkerle dazu, ihre Mutter eine entlaufene Sklavin zu nennen!
Ein junger Fuchs, der ein Stück entfernt unter einer entwurzelten Esche hervorsprang und eilig davoneilte, schreckte sie aus ihren Gedanken. Sie durfte sich nicht gehen lassen!
Gishild atmete tief ein und ganz langsam wieder aus. Sie musste ihre Gedanken leeren, so wie sie es von Silwyna gelernt hatte. Sie war jetzt in dem Waldstück, in dem die Wachen des Feindes umherstreiften. Sie konnte es sich nicht leisten, dummen Grübeleien nachzuhängen! All ihre Sinne mussten wach und scharf sein. Ihr Vater würde vor Scham im Boden versinken, wenn man sie schmutzbeschmiert als einen
Spitzel, der hinter den gegnerischen Linien aufgegriffen worden war, in die Scheune brachte. Einen solchen Triumph durfte sie ihren Feinden nicht verschaffen.
Zum ersten Mal kam Gishild der Gedanke, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, sich hierherzuschleichen. Aber ihre dunkle Ahnung wurde immer bedrängender. Ein Unglück stand unmittelbar bevor. Sie alle sollten gehen und sich von diesen verfluchten Rittern fernhalten!
Ein Schaudern überlief sie. Sie musste es schaffen, zu ihrem Vater zu gelangen. Vielleicht sollte sie einfach frech durch die Reihen der Wachen schlendern. Die Ordensritter konnten schließlich im Gegensatz zu den Leibwächtern ihres Vaters nicht den Befehl haben sie aufzuhalten. Diese Blechköpfe kannten sie nicht. Und einem Mädchen, das überzeugend behauptete, eine Prinzessin des Fjordlands zu sein, würden sie gewiss nichts zu Leide tun. Gishild grinste zufrieden. Das war es! Sie war sicher, dass sie damit durchkommen würde. Genauso sicher war sie, dass es danach ein gehöriges Donnerwetter geben würde. Aber das ließ sie gern über sich ergehen, wenn sie es nur schaffte, zu ihrem Vater zu gelangen.
Das Mädchen schob sich unter dem Haselbuschdickicht hervor. Ihr war kalt. Ihre Kleider waren nass vom Schlamm. Wahrscheinlich sah sie fürchterlich aus, und obendrein hatte sie das Gefühl, etwas Wichtiges außer Acht zu lassen. Eine Kleinigkeit … eine Warnung …
Ganz langsam wagte sie sich vor, schmiegte sich an das Wurzelwerk alter Eichen. Kauerte im Chaos gestürzter Stämme am Rand eines Windbruchs. Die große Scheune war nur noch hundert Schritt entfernt. Goldenes Licht drang durch die großen Löcher in den maroden Holzwänden. Die Gestalten im Inneren waren nur Schattenrisse. Einmal glaubte
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