Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
der Linken zog sie den Hirschfänger aus ihrem Gürtel, eine breite Klinge zum Ausweiden von Wild. Die ungleichen Waffen waren als Paar nach ihren Wünschen für sie geschmiedet worden. Beide schmückte ein Knauf in Form eines stilisierten Wolfskopfs. In zahllosen Kämpfen hatte sie Rapier und Hirschfänger geführt. Doch nie hatte sie einen verzweifelteren Angriff gewagt.
Mit entschlossenen Schritten eilte sie der im Eis gefangenen Galeere entgegen. Sie würde das Versprechen einlösen, das sie Emerelle gegeben hatte, und Gishild wieder in ihre Obhut nehmen. Und diesmal würde sie das Mädchen weit
fort von der Front bringen. Hoch in den Norden, in ihre Heimat, nach Firnstayn.
Einige Männer waren von Bord des Schiffes gesprungen und hieben mit Äxten und Hellebarden auf das Eis ein. Schon war ein schmaler Spalt dunklen Wassers zu sehen. Krieger mit langen Piken versuchten von Bord aus die Lücke zu verbreitern.
»Bei Tjured, sie ist immer noch nicht tot!« Ein Schütze mit rot befiedertem Helm deutete in ihre Richtung. Silwyna sah die Mündungen von Arkebusen auf sie einschwenken. Glühende Lunten wurden in Zündlöcher gestoßen.
Eine Kugel fauchte dicht über den Kopf der Elfe hinweg. Eine andere ließ das Eis neben ihr aufspritzen. Die Maurawani begann zu laufen.
Der gefrorene See erzitterte unter dem Trommeln hunderter Pferdehufe. Endlich kamen die Schnitter, dachte Silwyna grimmig. Sie hatte fast die Ruder der Galeere erreicht. Die stählernen Spitzen der Piken schwangen über die festgefrorenen Ruderblätter hinweg in ihre Richtung.
Wieder krachten Schüsse über ihr. Eine schrille Stimme rief Befehle. Bootsmannspfeifen zwitscherten.
Silwyna sprang auf eine der Ruderstangen. Das Holz federte unter ihrem Gewicht. Sie verstand es, auf den Ästen in Baumkronen zu laufen. Sie war eine Maurawani!
Mit einem ärgerlichen Hieb fegte sie die schmalen Stichblätter der Piken zur Seite. Eine Arkebuse wurde auf sie angelegt. Sie blickte in die dunkle Mündung. Dahinter sah sie schreckensweite Augen in einem pulvergeschwärzten Gesicht. Es gab keine Möglichkeit auszuweichen!
Der Schuss krachte. Heißer Pulverdampf schlug der Elfe entgegen und versengte ihr Antlitz. Mit einem Sprung war sie auf der Reling. Sie trieb ihr Rapier mit einem geraden
Stoß durch das Visier eines Ritters. Mit dem Hirschfänger lenkte sie den Stoß einer Hellebarde ab.
Der Arkebusier taumelte von der Bordwand zurück, die schwere Waffe schützend vor die Brust erhoben. Zwischen seinen Fingern hing eine glimmende Lunte herab. Er sah sie an, als sei sie ein Dämon. Offensichtlich hatte er in der Eile vergessen, eine Bleikugel in den Lauf der Waffe zu rammen.
Silwyna zog ihr Rapier aus dem Helm des toten Ritters und sprang in die Lücke, die der Arkebusier in der Mauer dicht gedrängter Menschenleiber gerissen hatte. Mit einem Ruck zog sie den toten Ritter vor ihre Brust und nutzte ihn wie einen großen Schild. Entlang der Reling lief nur eine schmale Galerie. So konnten die Ritter und Seeleute nicht ihre erdrückende Übermacht nutzen. Hinter der Galerie klaffte ein langer offener Schacht, wie ein hölzerner Graben. Dort standen die Ruderbänke. Kaum hüfttief trennte er die Galerie vom Laufsteg, der sich in der Mitte des Schiffes vom Vorderdeck nach achtern erstreckte. Eine Barriere gefüllt mit Menschenleibern. Über hundert Ruderer hatten sich von den Bänken erhoben. Sie waren mit Piken bewaffnet, mit Pistolen, Armbrüsten und breiten Entermessern.
Die Stichblätter der Piken schrammten über die Brustplatte des toten Ritters und glitten an der Wölbung ab. Silwyna stieß ihren Angreifern den Ritter entgegen. Der gepanzerte Krieger stürzte auf das tiefer gelegene Deck und begrub drei Ruderer unter sich. Silwyna sprang mit einem weiten Satz über den hölzernen Graben zum mittleren Steg. Leicht federnd landete sie, ging in die Knie und hob ihr Rapier zur Parade. Ein Schwertstreich glitt die schlanke Klinge entlang. Kniend drehte sich die Maurawani. Vor ihr stand ein Matrose, der mit einem breiten Entermesser auf sie eindrosch. In der Linken hielt er eine Radschlosspistole.
Ein gerader Stoß mit dem Hirschfänger schlitzte ihm den Bauch auf und ließ ihn rücklings hinab zu den Ruderbänken stürzen.
»Tötet diese Ausgeburt der Finsternis!«, rief ein massiger Kerl, der sich mit einer riesigen Axt in den Händen aus dem Graben der Ruderer reckte. »Was vermag ein Weib gegen hundert Männer auszurichten?«
Wie eine Flut aus
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