Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Schnabel.
Fenryl hielt Winterauges Blick gefangen und wob das magische Band. Der Adlerbussard wehrte sich nicht. Er wusste, was geschehen würde. Sieben Jahre hatte es gedauert, bis sie miteinander vertraut geworden waren.
Fenryl spürte den Hunger Winterauges. Die letzten Tage war der Adlerbussard immer in der Nähe gewesen. Er hatte keine Zeit gefunden zu jagen. Auch der Elf spürte nun Hunger. Er öffnete sich, um eins mit dem Vogel zu werden. Seine Lasten fielen von ihm ab. Sein Blick weitete sich.
Winterauge streckte die Flügel. Der Fürst spürte die Kraft des Vogels. Sie würden gemeinsam jagen und dann erst dem Schiff folgen.
Der Adlerbussard stürmte der bleichen Mondscheibe am Nachthimmel entgegen. Flüchtig sah Fenryl die weiß gekleidete Gestalt, die an der efeubewachsenen Mauer lehnte. Der Feldherr, der vielleicht über das Geschick Albenmarks entscheiden würde. Er war nur mehr eine leere Hülle. Für ein paar Stunden jedenfalls.
DER KEIM DES VERDERBENS
Charles musterte Lilianne aus den Augenwinkeln. Sie war die ganze Nacht über wach geblieben. Jetzt, im ersten Morgenlicht, sah ihr Gesicht hart aus. Scharf zeichneten sich die Konturen im Zwielicht ab, die gerade Nase, das etwas zu kantige Kinn. Sie hatte hohe Wangenknochen und große Augen. Lilianne war keine Schönheit im herkömmlichen Sinn. Aber sie war anziehend.
»Fertig?«, fragte sie leise.
Charles hob fragend die Brauen.
»Du glotzt wie ein Bauer auf dem Viehmarkt, Bruder Erzverweser. Wenn du mich direkt anschauen würdest, dann wäre das weniger auffällig als dieses Starren mit verdrehtem Kopf.«
Kapitän Alvarez, der am Ruder stand, grinste über die Bemerkung der Komturin. Die übrigen Offiziere auf der Brücke schliefen, lang auf den gepolsterten Bänken an den Seiten des Heckpavillons hingestreckt.
Charles räusperte sich.
»Bist nur du so, Schwester, oder darf ich dein Verhalten als stellvertretend für die Neue Ritterschaft betrachten? Laut, aufreizend und provozierend.«
Er wandte verärgert den Blick von der Komturin ab und beugte sich über das kleine Mädchen. Sie atmete nur flach. In der Nacht hatte sie im Schlaf gesprochen, doch leider in der knurrenden Sprache der Heiden aus dem Fjordland. Charles hatte nur ein einziges Wort verstanden. Vater.
Der Erzverweser strich der Prinzessin über die Stirn. Fieber schien sie nicht zu haben. Sie war ein hübsches Mädchen.
Wenn sie überleben sollte, würde er versuchen, ihre Seele mit dem tiefen Frieden eines gefestigten Glaubens zu erfüllen. Er würde sie bekehren. Darin war er gut.
Lilianne trat an seine Seite. Auch sie berührte flüchtig die Stirn der Prinzessin.
»Gut«, murmelte sie vor sich hin. Sie roch nach Schweiß. Das war nicht unangenehm. Immer noch trug sie nur das Hemd. Charles betrachtete wieder das Antlitz des Mädchens und versuchte alle anderen Gedanken zu verdrängen. Nicht an den zu hohen Saum des Hemdes denken! Sie wollte, dass er hinsah, und ihn mit spitzen Bemerkungen brüskieren.
»Ich habe nicht gewusst, wer hinter der Wand aus geflochtenen Ästen stand«, sagte die Ritterin unvermittelt. »Ich hörte ein Geräusch … Wer immer mich dort gesehen hatte, durfte nicht zurück.«
»Hättest du sie verschont, wenn du sie erkannt hättest?«
Lilianne schwieg.
Jetzt wagte es der Erzverweser sie ganz offen anzusehen. Tat ihr das Mädchen wirklich leid?
»Ich habe einmal geschworen, mein Schwert für all jene zu führen, die sich selbst nicht verteidigen können. Ich wollte der Schild der Schutzlosen sein. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass mein Weg mich einmal hierherbringen würde. An das Lager eines Mädchens, dem ich einen Dolch in die Brust gestoßen habe.«
»Du hast mir nie gesagt, warum du in dem Heidentempel warst.«
Lilianne sah ihn an und lächelte, so wie man lächelt, wenn man die Wahrheit verbergen will.
»Ich wollte unsere Feinde besser kennen lernen.«
Charles wusste, dass es sinnlos wäre, weiter in sie dringen zu wollen.
»Und diese ganze Flucht. Das alles war nicht geplant?«
»Als ich erkannte, wer das Mädchen ist, wusste ich, was zu tun war. Ich war darauf vorbereitet, dass die Anderen uns in dem Dorf vielleicht angreifen würden. Für sie gibt es keine Regeln in diesem Krieg. Sie kämpfen um ihr Überleben. Bei ihnen muss man mit jeder Niedertracht rechnen. Also war ich darauf vorbereitet, ein Rückzugsgefecht zu führen. Du bist der Kirchenfürst Drusnas. Sie hätten dich nicht lebend fangen
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