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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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ihre Hand fest und drückte einen Kuss darauf.
    Am Abend gaben sie ihr letztes Konzert, es war, als ahnten sie es, in einem stickigen, überfüllten Jazzclub, und sie spielten Zugabe um Zugabe. Am Ende improvisierten sie ohne Vorlage, spielten immer weiter bis tief in die Nacht, als hätten sie Angst vor dem Aufhören, vor dem, was danach kommen würde.
    Zunächst ein x-beliebiger Samstagmorgen. Man erwachte in einem kleinen Hotel in Bergamo, frühstückte in der Bar, zwei Cornetti, drei Cappuccini für jeden, um den Kater zu vertreiben, denn natürlich hatten sie nach ihrem letzten Auftritt gefeiert. Zadera fuhr nach Wien für ein paar Wochen, sie verabschiedeten ihn am Bahnhof, fast ohne Sentimentalität. Baldur musste zur Probe nach Luzern, Holler und Morgenthal hatten sich noch nicht entschieden, ob sie ihn begleiten oder ob sie in Italien auf ihn warten wollten. Betty studierte die Karte, fuhr mit dem Finger die Wege ab, die sich anboten, »wir könnten weiter«, sagte sie, seufzte, rutschte mit der Kuppe ihres Zeigefingers bis nach Neapel, Sizilien, »ans Meer«.
    »Ja«, sagte Marc, strich mit dem Daumen über ihre Wange,wo sich, wenn sie lächelte, eine Falte zog. Aber in Berlin standen Proben an, für eine von Marcs Orchesterkompositionen, sie mussten also zurück, auch Tom, der den kurzen Klavierpart des letzten Satzes übernehmen würde, musste zurück. »Wir fahren im Sommer«, sagte Marc.
    Betty nickte, als glaubte sie es nicht wirklich. »Ihr könnt mich am Comer See rauslassen, oder?«, sie klapperte mit den Augenlidern. »Ich will nur einen Tag schwimmen.«
    Nur einen Tag.

DIE ORDNUNG DER STERNE ÜBER COMO
    Später hat er sich oft gefragt, warum er nicht einfach im Auto geblieben ist, neben Marc, warum er nicht mit seinem Freund nach Luzern gefahren, sondern am Comer See zusammen mit Betty ausgestiegen ist, hat sich gefragt, was ihn dazu bewogen hat, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit aktiv zu werden, auszusteigen, nicht weiterzufahren, obwohl er während der ganzen Fahrt von Bergamo nach Como die Absicht verfolgt hatte, sitzen zu bleiben.
    Die Entscheidung fiel plötzlich. Sie wurde nicht getroffen, sondern fiel buchstäblich, stürzte aus dem Himmel wie ein seltsamer Gegenstand, angesichts dessen man sich wundert, zunächst aber auch froh ist, dass niemand zu Schaden kam.
    Er sitzt im Auto vorn neben Marc und starrt auf das pendelnde Vanilleduftbäumchen seines Vaters, das noch immer niemand entfernt hat, und starrt dann in den Spiegel, wo Betty ihre Sachen auf der Rückbank zusammensucht, bevor sie die Tür öffnet, mit einem glänzenden Haarvorhang vor ihrem Gesicht.Er aber bleibt sitzen, starrt weiterhin in den jetzt leeren Rückspiegel, spürt das leichte Schwanken des Autos, als Marc aussteigt, um sie zu umarmen, sie zum Abschied zu küssen, bevor auch er sich endlich aus seinem Sitz quält und sich streckt, die Hände im Nacken verschränkt, indem er den Blick zum See hinabwandern lässt, teils aus Interesse am See, der hinter Eukalyptus und Steineichen und kleinen Holzhäuschen im Licht schwimmt, teils um der Peinlichkeit der langen Umarmung zu entgehen, da er, wie immer in solchen Situationen, nicht weiß, wo er hinsehen soll, um zu übersehen, dass Betty und Marc sich küssen. Normalerweise steht er da, zeichnet mit der Zehenspitze Ornamente auf den Fußboden. Deswegen ist er in diesem Moment dankbar für die Natur, die sich auch für ein längeres Hinsehen sehr eignet: In der Ferne schaben Bergkämme am Himmel, davor und darunter dunstige Hügel, darin eingeklemmt ist die blitzende Spiegelscheibe des Sees. In vertrocknetem Ufergras zirpen ein paar Zikaden, rascheln Eispapierchen. Leichter Wind flimmert in den Ästen der Bäume, und dahinter, auf der schmalen Küstenstraße, wälzt sich Autoverkehr, blinkend im Mittagslicht. Träge Wärme liegt über allem.
    »Was ist?«, fragt Marc, der im Begriff ist, wieder einzusteigen. Und Tom, Hände im Nacken verschränkt, da er nicht weiß, wie er Betty verabschieden soll, die nun mit ihrem Rucksack vor ihm steht, Marcs Trekking-Zelt unter der Achsel, ob er sie umarmen soll, küssen, wenn ja, wohin, oder lieber nicht, sagt, vielleicht um dieser Verlegenheit zu entgehen: »Ich glaub, ich bleib auch hier.« Er murmelt kaum hörbar, mit dem Blick zum Wasser, und ohne Betty anzusehen, reißt er seinen Rucksack aus dem Kofferraum, sein altes Zelt, er umarmt Marc, der für einen Augenblick zögert, überrascht offenbar, dann aber sagt,dass er recht

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