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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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undeutlich, wässrig. Er hätte so gern einen Keks. Wenn er am Ufer ankommt, verspricht er sich, wird er erst einmal Kekse essen.
    Das Wasser erscheint jetzt fast teerschwarz. Er hätte nicht aussteigen sollen, denkt er, und dass er Marc allein gelassen hat, aber es ist Blödsinn, weil Marc auch allein zurechtkommt. Wenn jemand nicht zurechtkommt, denkt er, dann bin ich es (wie man sieht), nicht er braucht mich, sondern umgekehrt, ich brauche ihn, denkt er und dann wieder an die Kekse. Er könnte eine ganze Packung essen, denkt er, während vor ihm eine Landschaft aus Wellen, dunkleren Tälern und helleren Hügeln, sich ausbreitet, vielleicht gibt es Eis oder Spaghetti.
    Er rudert gegen die Stille, seine Muskeln brennen, sein Gesicht brennt, glüht, er spürt es, wenn er ins Wasser taucht, aber das Ufer wird endlich größer, der Steg, auf dem Betty nicht mehr sitzt, sondern steht, verschwommen. Er sieht, wie sie auf den See hinausschaut, die Hand an der Stirn, als suchte sie etwas, dann setzt sie sich wieder.
    Er spürt seine Beine kaum, als er ans Ufer watet, langsam, und sich in den Sand fallen lässt, um wieder zu Atem zu kommen. Die Beine scheinen nicht da zu sein, während er über den Strand in Richtung Steg läuft, aber sie funktionieren.
    »Na?«, sagt er leichthin zum Steg hinauf, wo Betty inzwischen auf ihrem Tigerpfotenhandtuch liegt. Er, mit ausgestrecktem, aber zitterndem Arm, lehnt scheinbar lässig am Holz, während sie sich aufrichtet.
    »Na?«, sagt auch sie. Dann wischt sie sich etwas Sand vom Bauch. »Ist ganz schön bescheuert, so weit rauszuschwimmen«, sagt sie. »Wenn du Pech hast, erwischt dich nämlich ganz schnell ein Motorboot.«
    »Ach was«, sagt Tom, kommt sich aber dumm, verantwortungslos und lächerlich vor.
    »Ich geh schwimmen«, sagt sie, steht auf und springt ins Wasser.
    Tom holt sich Pommes, hat aber, als er auf dem Steg sitzt, plötzlich keinen Appetit mehr. Trotzdem isst er sie auf, bis zum letzten verkohlten, fettigen, in Ketchup ertrunkenen Stückchen. Wischt sich die Finger an einer Serviette ab. Auf der Wasserfläche sieht er Bettys Kopf, der manchmal untertaucht, dann ihre Füße, Beine, die dem Körper hinterher ins Dunkle gleiten. Die Sonne steht inzwischen tiefer und wirft bronzefarbenes Licht auf Betty, die aus dem See steigt, ans Ufer läuft. Er sieht, wie ihre Hüftknochen glänzen, sieht die feuchte Wölbung ihres Bauches, die Muskeln ihrer Oberschenkel. Ihre Arme sind über den Kopf gebogen, als sie mit beiden Händen ihr Haar aus der Stirn streicht.
    Sicher sehen fast alle Frauen gut aus in diesem Licht, sagt er sich.
    Als sie sich neben ihn setzt, ihr Handtuch zurechtlegt, tropft Wasser auf seine Brust. Er dreht sich auf den Bauch, fingiert Schlaf. Etwas später hört er, wie sie in ihrer Tasche räumt, er spürt etwas kühle Haut an seinem Arm, dann riecht er Sonnencreme, er hatte es befürchtet, aber er schläft. Etwas kitzelt an seinem Nacken, ein Insekt, das er mit einer Bewegung seiner Schulterblätter verscheucht.
    »Tom?«, hört er sie.
    »Hm?«
    »Schläfst du?«
    »Hm.«
    »Könntest du kurz meinen Rücken …?«
    Natürlich. Er setzt sich auf, leider stinken seine Hände nach Pommes und Ketchup, er drückt Sonnencreme hinein, ein Prusten zerstäubter Creme in seiner Handfläche, und klatscht das Zeug möglichst grob, kumpelhaft auf diese schmalen Schultern, die vor ihm sitzen. Er reibt so fest, dass die Schultern Schwierigkeiten haben, sich aufrecht zu halten. »Fertig«, sagt er.
    »Soll ich dich auch …?«
    »Nein!«, sagt er, etwas laut vielleicht.
    »Du bist da oben aber schon ganz schön rot.« Sie deutet auf seine Schulter.
    »Ich geh sowieso gleich in den Schatten«, murmelt er, indem er ihr Schlüsselbein betrachtet, wo noch ein Klecks unverriebener Creme hängt, die paar Sommersprossen über ihrer Brust, eine Haarschlange, die an ihrem Hals klebt.
    Er dreht sich auf den Bauch, weil er merkt, wie sich seine Badehose wölbt, Badehosen sind ungünstig in solchen Situationen (zum Glück immerhin Boxershorts), wieder fingiert er Schlaf, während er sich ihre Hände vorstellt, auf seinem Rücken, auf seinem Hintern. Er muss ins Wasser, springt also hinab, mit dem Kopf voraus, hält sich diesmal aber in Ufernähe auf, während er sich zwingt, an Allgemeines zu denken, an ihre Rückreise, das Kreuzfahrtschiff, die allgemeine, vor ihnen liegende Zukunft, wie an die Zukunft überhaupt, die Zukunft als allgemeine philosophische Kategorie

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