Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
Vom Netzwerk:
Wohnküche, mit Sofa, was Holler freute, denn Hedda war immer eine große Freundin der Wohnküche gewesen. Und nun hatte sie also endlich eine, und zu Recht, wie er sich sagte, denn es gibt einfach Menschen, die Wohnküchen verdient haben! Vor dem Fenster allerdings klebte eine Bauplane, innen daneben das Monticchio-Foto.
    »Es ist mir übrigens wieder eingefallen, wie es hieß«, sagte er, indem er mit dem Kinn auf das Foto deutete.
    »Was?«, sagte Hedda. Sie lehnte an einer rückenergonomischen Arbeitsplatte, die nach frischem Holz roch.
    »Monticchio«, sagte er.
    »Ich weiß«, sagte sie, wollte aber nicht weiter darüber reden, denn es war ihr offenbar unangenehm, etwas mit ihm zu teilen, und wenn es auch nur ein paar verstaubte gelbstichige Erinnerungen waren.
    Natürlich, dachte er. Und: Warum sie es überhaupt aufhängt?
    »Kannst du mir jetzt bitte verraten, weshalb du hier bist?«, sagte sie, und ihre Stimme klang, als risse sie eine Seite aus einem Buch heraus.
    »Das habe ich doch schon gesagt«, sagte Holler. »Ich wollte dir mitteilen, dass ich umziehe, dass du noch ein paar Sachen …«
    »Thomas«, unterbrach sie ihn. »Das weiß ich.« Eine weitere Seite wurde zerrissen.
    »Ich verreise«, fiel ihm ein.
    Sie nickte.
    »Italien«, sagte er. »Wir gehen auf Tour, ich wollte mich verabschieden.« Es hätte sich jetzt angeboten, ein unverfängliches Gespräch über Italien zu beginnen, aber er sah, wie Hedda ihren Kopf in einer empfindlichen Schräge hielt, und er zog es vor, zu schweigen. Warum geht sie nicht auf einen einzigen Moment ins Wohnzimmer, dachte er, oder ins Bad? Dann nämlich will ich sie erlösen, ich will den Brief nehmen, mich unverzüglich und in aller Diskretion entfernen. Es wird so sein, als hätte ich nie existiert. Nichts dergleichen aber geschah. Ein Wassertropfen fiel in die Spüle, zerbrach darin. Noch einer. Verzweifelt wandte er den Blick zum dunklen Fenster, worin sich die Wohnküche und er selbst und die sorgenvolle Hedda in die Tiefe des schwarzen Raums hinein verdoppelten. Da sah er das Wohnaccessoire, das neben seinem Oberschenkel hing und tickte. Er hielt die Tüte in die Höhe: »Ich habe dir auch eine Kleinigkeit mitgebracht«, sagte er fröhlich. »Zum Einzug!«
    »Danke«, sagte sie und nahm die Papptüte an sich, während ein schwaches Lächeln auf ihrem Mund gleich wieder verlosch. Ohne rechte Neugier grub sie den Gegenstand hervor, wickelte ihn aus, betrachtete lange das Ei, betrachtete dann lange ihren Ehemann, wie man einen Hund betrachtet, der einem eine tote Maus geschenkt hat. Sie aber hatte Hunde nie besonders gemocht.
    »Danke«, wiederholte sie. »Das ist offenbar eine Eieruhr, nicht?«
    »Ja«, log Tom. »Ich dachte, für die neue Wohnung, du kannst sie vielleicht brauchen.«
    Sie schwieg.
    »Ich dachte, wo wir ja immer Schwierigkeiten hatten, den richtigen Moment zu erwischen, nicht?«
    »Ja, die hatten wir«, sagte sie.
    »Kann ich mal deine Toilette benutzen?«, fragte er, um das Gespräch fortzuführen.
    »Zweite Tür links.«
    Er dachte: Idiot. Aber die Situation ist auch wirklich schwierig. Alles ist wirklich schwierig, sagte er sich, auch im allgemeineren Sinn. Als er die Kommode mit den Briefen passierte, zögerte er, bog seinen Kopf über die Schulter zurück, um festzustellen, dass Heddas nachdenkliches Gesicht in den Flur ragte. Also betrat er das Badezimmer, schloss die Tür, stützte sich am Waschbecken auf und sah in den Spiegel. Wie erwartet erschienen darin dieselben klagenden Augen wie immer, etwas humorlos, obwohl er sich eigentlich gar nicht humorlos vorkam, gleich darüber das dunkle Haar, das (seit ihn niemand mehr freundlich, aber bestimmt darauf hinwies, dass er schon mindestens ein halbes Jahr nicht beim Friseur gewesen sei) unkämmbar tief in die Stirn hinabhing, und darunter links und rechts die beiden senkrechten Linien, die die Wangen zerfurchten wie zwei Felsspalten im Gebirge, und er verstand sowohl Callas’ als auch Heddas Entsetzen.
    Idiot, sagte er sich. Du bist, ich bin ein Idiot.
    Als er von draußen ein Klappern hörte, fiel ihm ein, dass es gefährlich war, Hedda mit den Briefen allein zu lassen. Hastig drückte er die Spülung, lief auf den Flur zurück, sah den Poststapel aber von weitem unverändert auf der Kommode liegen und spazierte daher, äußerlich ruhig und nahezu lautlos pfeifend, die Hände in den Taschen, wieder in Richtung Wohnküche. Hier aber stand Wegener und fragte, eine der Weinflaschen in die

Weitere Kostenlose Bücher