Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)
NOCH SO VIELE ZITRO NEN GIBT DIESES JAHR, weil Bruno auf dem linken, ihr zugewandten Ohr nur noch zu dreißig Prozent hörte. Bruno nickte stolz, dieses Jahr sei ein gutes Zitronenjahr, sagte er, und dass sie wieder eine ganze Kiste mitnehmen könnten (sie hatten aber noch eine fast volle vom letzten Mal, was sie ihm niemals verraten hätte). Sie nickte und lächelte in die schöne dunstige Ferne, wünschte sich, ihrem Blick hinterherzulaufen, in die erstbeste Richtung bis zum Horizont, als dunkler hüpfender Punkt irgendwo in der Weite zu verschwinden.
Die Tätigkeit des Abspülens mit Alfredo ermöglichte ein Aufatmen, weil endlich das Schwiegertochterlächeln in ihrem Gesicht gelockert werden konnte. Sie wusch Töpfe aus, die Alfredo, sorgenvoll aus dem Fenster oder in die Dunkelheit des Geschirrs blickend, abtrocknete. Allerdings toste nun aber dieses Schweigen immer lauter in ihren Ohren. Nur wenn Mariannas punktierte Schrittgeräusche in der Nähe waren, fielen Sätze wie: »Gibst du mir den Lappen, bitte« oder »hier die Schüssel«.
Halbseitig gelähmte Nachmittagsstunden. Gut zwei davonmussten überbrückt werden, bis zum Nachmittagskaffee, drei bis zur schweigenden Heimfahrt.
»Zeigst du mir den Garten«, fragte sie Bruno, wie sie ihn jeden zweiten Sonntag fragte, und in Brunos Gesicht ging das Licht an. Eingehakt bei ihrem Schwiegervater, wodurch sich das Schwanken seiner hohen Gestalt bei jedem Schritt auf sie übertrug, lief Betty durch das Grün der Oliven und Oleanderbüsche, spürte den sehnigen Arm, der immer ein bisschen dünner wurde im Zweiwochenabstand, und musste plötzlich mit einer Heftigkeit denken, dass sie ihn liebte, dass sie ihn bitte nicht verlieren wollte.
Hinter dem Haus, verkündete Bruno voll Stolz, habe er einiges verändert (wie er immer einiges veränderte auf Weisung Mariannas in diesem winzigen Garten, was tatsächlich eine Kunst war). Und zwar hatte er den Schuppen gestrichen, von Braun zu Beige diesmal, so dass der Schuppen irgendwann zu seiner Ausgangsfarbe zurückgelangen würde, wie auch das Arrangement der Pflanzkübel, der Werkzeuge, der Sitzmöbel über mehrere Stationen immer wieder an den Ausgangspunkt zurückkehren würde. Die Zeit, sie war eine Märklineisenbahn in diesem Garten, die Runde um Runde drehte auf ihrem Schienenoval. Seit Jahren aber stand unverändert der Sandkasten für die Enkelkinder, für den Fall eines Falles.
Bruno zeigte Betty ein weiteres neues Klettergerüst für den Wein, eine weitere neue Terrakottafigur aus einem Gartencenter, einen monströsen Hahn, an dem irgendein Stückchen herausgebrochen war, so dass sie ihn billiger bekommen hatten. Kein Mensch wusste, wie sie ihn hier heraufgeschleppt hatten. Betty bewunderte und bestaunte alles, ging mit Bruno den Prospekt eines anderen Gartencenters in der Provinz Avellinodurch, nickte und bestaunte die Gegenstände, für die sich Marianna, halb belächelt von ihrem Mann, interessierte, Häschen und Hündchen und Kübel aus Ton und Terrakotta, die mit handschriftlichen zittrigen Häkchen versehen waren, weil interessant, weil eventuell zu kaufen.
Betty fragte sich, wo sie noch hinpassen sollten, diese rührenden Waffen gegen den Verfall, gegen den Tod, sagte aber, dass sie kommende Woche nachmittags Zeit habe. Dass sie mit dem Auto zum Gartencenter fahren könnten. Aber natürlich führen sie mit dem Auto, beharrte sie, als Bruno nicht mit dem Auto fahren wollte, um ihre Zeit, wie er sagte, nicht in Anspruch zu nehmen, sondern mit dem Bus, was aber überhaupt nicht, so Betty, in Frage kam.
Wer Dinge kauft, wer seinen Garten verändert, der stirbt nicht.
Noch lange standen sie nebeneinander, die Hände auf einem vom Licht aufgeheizten Steinmäuerchen, und schauten schweigend ins Land hinab. An der Horizontlinie stiegen langsam, direkt aus dem Meer, Schwaden auf. Das Himmelsblau verdickte sich, dunkelte ab, ein Wind schien aus dem Nichts zu kommen, urplötzlich. Also gingen sie, untergehakt, zum Haus zurück. Während sie im Wohnzimmer saßen und Sfogliatelle aßen, die Betty und Alfredo wie immer aus der Stadt mitgebracht hatten, beobachteten sie erste Regentropfen, die auf dem Terrassenboden zerbarsten. Die Glastür wurde klirrend an die Wand geschleudert, dann strömte Regen als ungeteilte Masse an den Fensterscheiben herab. Plötzlich bemerkte Betty den Blick Alfredos, spürte ihn wie einen Lufthauch an ihrer Wange, als sie mit der Gabel ein paar Krümel auf ihrem Teller
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