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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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ausgeführt habe inzwischen? Er spürte, wie Hitze in seine Wangen schoss, und leider sah Betty genau in diesem Augenblick vom Boden auf und zu ihm herüber. Sie lächelte, was die senkrechte Ader hervortreten ließ, die ihre Stirn in zwei Hälften teilte.
    »Klar«, sagte sie. »Gestern erst. Ich glaube, sie hat einen Liebhaber.« Sie lächelte. Er auch. Der Lärm der Stadt, das Fahren der Autos, Klappern der Absätze und Reden der Menschen aber hielten inne und verstummten, und fallendes Blütengewirbel der Bäume lag in der Luft, ohne zu Boden zu sinken.
    »Meinst du?«, sagte er.
    Betty nickte und sah auf das schwebende Weiß. Tom auch. Es wirbelte. Es duftete unter den Bäumen. Es war ihm niemals in den Kopf gekommen, dass es außer ihm (und ihrem Ehemann) jemand Dritten geben könnte. Er finde, zwang er sich zu sagen, die Hermanns’ wirkten recht glücklich. Sie machten einen sogar ziemlich glücklichen Eindruck, wiederholte er. Und dass er sich das eigentlich gar nicht vorstellen … wie sie darauf käme.
    »Du bist richtig verknallt in sie, oder?«
    Er schwieg.
    »Tom, ich weiß Bescheid. Du musst dir keine Mühe geben«, sagte sie, indem sie wieder dieses eigenartige Lächeln im Gesicht herumtrug. »Der Lippenstift auf deiner Wange war echt nicht zu übersehen letztes Mal.«
    Er schwieg. Er benötigte eine lange Weile, in der ihm doch nicht langweilig war, um zu verstehen, was im Einzelnen damit gemeint war. Das Verstehen beschäftigte seinen gesamten Organismus, und an ein Weitergehen war nicht zu denken. Er blieb stehen: Ich bin der Liebhaber, dachte er, ich bin es selbst, Idiot! »Tja, wenn du es weißt, dann weißt du es vermutlich«, sagte er, und seine Stimme klang leicht, fast überschwänglich, als freute er sich darüber, endlich eine Mitwisserin zu haben, um dadurch sein Glück zu verdoppeln. Und Betty lächelte weiter. Aber ihr Lächeln wurde merkwürdig dünn, durchsichtig, pergamentartig jetzt, und darunter kam ihr Erstaunen zum Vorschein.Sie staunte über seine Gelassenheit, seine Ehrlichkeit oder über die Tatsache, dass diese ihr allen Wind aus den Segeln nahm, und trotzdem, vielleicht, weil sie es sich schon die ganze Zeit über vorgenommen hatte, sagte sie: »Keine Angst, ich werd es dem Hermanns sicher nicht auf die Nase binden.«
    Tom aber hatte diese Möglichkeit noch gar nicht in Betracht gezogen. Er fragte, ob er sie zum Bier einladen könne. Sie wisse nicht, ob er das könne, sagte sie, was sie offenbar für einen guten Witz hielt, und er musste sogar darüber lachen. Er hätte jetzt über jeden Witz gelacht.
    Als sie in einem Dönerladen saßen, wo ein Spielautomat seine Melodien spielte, bestellten sie Bier und Pommes. Betty orderte eine doppelte Portion, was Tom ihr neidete, da er auf seine Figur achten musste. Sie nicht.
    Er wolle jetzt von ihr wissen, ob sie beispielsweise einen Freund habe.
    Sie sagte, dass sie ihn relativ neugierig finde. Er aber sagte, dass er es nur für gerecht halte, da sie inzwischen alles über ihn, er aber nichts über sie wisse, was ein Ungleichgewicht herstelle in ihrer noch jungen Freundschaft. Der Spielautomat spielte seine Melodien. Zwei offenbar Verliebte traten ein und bestellten Döner. Von hinter der Theke drangen Wärme- und Fleischschwaden herüber, Klappern und das Wetzen eines Messers.
    »Also?«, sagte Tom und verschob mit den Fingern den Aschenbecher aus Kunststoff.
    »Es geht dich nichts an«, sagte Betty, zudem habe sie es selbst herausgefunden, und so solle er es bitte schön auch selbst herausfinden, wenn er es denn wolle, meinte sie.
    »Also gut«, sagte er, »ich weiß es ja längst: Es ist Dr. Volker Hermanns.«
    Betty lachte und schüttelte den Kopf. Dann verstummte das Lachen auf ihren Lippen und verlor sich. Es hinterließ ein sorgenvolles nacktes Gesicht, das von Betty hastig mit dem Rauch einer Zigarette verhüllt wurde. Der Rauch entstieg wolkig ihrem Mund, während sie das Streichholz ausschüttelte.
    Tom wunderte sich, dass sie als Sängerin rauchte, sagte aber besser nichts dergleichen.
    »Also gut«, sagte sie. »Da ist niemand momentan. Ich bin eine einsame Frau und froh darüber.« Unvermittelt stand sie auf, entnahm der Vitrine zwei weitere Radeberger, Zigarette im Mundwinkel, und setzte sich wieder. Der Stuhl kratzte über die Fliesen. Dann berichtete sie knapp, dass ihr Freund in Tübingen Medizin studiere und nunmehr eigentlich ihr Exfreund sei und übrigens Alex heiße, sie zweimal in Berlin besucht habe, dann

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