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Die Orestie

Titel: Die Orestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aischylos
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mich du niedersahst,
    Als Freund und Feind mich auch in diesem deinen Schmuck
    Gar sehr verhöhnten, unverhohlen, wahnbetört!
    Gescholten Törin, Bettlerin, Lügenzauberweib,
    Wahnwitzig, elend, hungersüchtig – ich ertrug's!
    Nun hat der Seher mich, die Seherin, gestraft!
    Hat mich in dies Verhängnis, in den Tod geführt!
    Statt meiner Väter Altar harret mein der Block,
    Drauf blutig heißer, scharfer Mord bald mich erschlägt!
    Doch nein, ich sterbe nicht den Göttern ungerächt;
    Denn wieder wird einst unser Rächer nahe sein,
    Der Muttermörder, der des Vaters Mord vergilt;
    Ein irrer Flüchtling, kehrt er aus der Fremde heim
    Und setzt den Schlußstein aller Schuld der Seinigen.
    Geschworen also war den Göttern höchster Schwur,
    Sie nachzustürzen in des erschlagenen Vaters Sturz! –
    Warum erseufzet wieder mein, der Sklavin, Mund?
    Da ich zum ersten sah die Feste Ilion,
    Wie sie geendet, enden, meines Landes Volk
    Also hinweggetilget durch der Götter Spruch! –
    Ich geh, zu enden: leiden werd ich dort den Tod!
    Dich, Pforte, grüß ich, Pforte mir ins Schattenreich!
    Doch fleh ich eins, mich treffe gleich der Todesstreich,
    Auf daß, wenn mein sanftsterbend Blut zu Boden fließt,
    Sich ruhig ohne Todeskampf mein Auge schließt!
    CHOR.
    O viel unselges, wieder auch viel weises Weib,
    Du sprachest reichlich. Aber wenn wahrhaftig du
    Dein eigen Schicksal weißest, warum gehst du, gleich
    Dem gottgetriebnen Stier, zum Altar festen Muts?
    KASSANDRA.
    Nicht gibt es Rettung, Freunde, nicht durch Zögern mehr!
    CHOR.
    Doch wer der letzte zögernd bleibt, gewinnet schon.
    KASSANDRA.
    Nein, meine Stund ist kommen; Flucht frommt wenig mir!
    CHOR.
    So wisse, leiden wirst du um so festen Mut!
    KASSANDRA.
    Begreifen kann das niemand von den Glücklichen!
    CHOR.
    Ja, rühmlich sterben ist den Menschen süßer Trost.
    KASSANDRA.
    – Mein Vater! Über dich und deine Kinder, oh!
    CHOR.
    Was ist dir? Welch Entsetzen schrecket dich hinweg?
    KASSANDRA.
    Weh, weh!
    CHOR.
    Was will der Wehruf? Ist's ein Graun, das dich erfaßt?
    KASSANDRA.
    Mord haucht das Haus mir, blutumtrieften Mord mir zu!
    CHOR.
    Nicht doch; der Weihrauch auf dem Herde duftet so!
    KASSANDRA.
    Es wehet Dunst mir wie aus einem Grabe zu!
    CHOR.
    Kein syrisch Duftgepränge, das du rühmst dem Haus!
    KASSANDRA.
    So geh ich, so bewein ich noch im Hause mein
    Und Agamemnons Ende. Sei's des Lebens gnug!
    O Freunde!
    Nicht klagen will ich, wie der Vogel im Gebüsch,
    Furchtsam, vergebens. Mir, der Toten, zeuget einst,
    Wie das Weib an mein, des Weibes, Statt erschlagen liegt,
    An des Mannes Statt der fluchgefreite Mann erliegt!
    Mit diesem Gastgruß tritt hinein die Sterbende.
    CHOR.
    Du jammerst, Arme, um den Tod mich, den du ahnst!
    KASSANDRA.
    Einmal noch sagen will ich letzten Spruch und Gram,
    Den eignen, meinen: dich beschwör ich, Helios,
    Beim letzten Lichte, fordern müsse, wer mich rächt,
    Von meinen Feinden, meinen Mördern gleichen Tod,
    Wie mich, die Sklavin, ihre Hand behend erschlug!
    O dieses Menschenleben! – wenn es glücklich ist,
    Ein Schatten stört es; ist es kummervoll, so tilgt
    Ein feuchter Schwamm dies Bild, und alle Welt vergißt's;
    Und mehr denn jenes schmerzt mich dies: vergessen ist's! –
     
    Ab in den Palast.
     
    CHORFÜHRER.
    Ein beglücktes Geschick, unersättlich im Gram,
    Ist's jedem, der lebt, und niemand wehrt
    Vom fingergezeigten Palast es zurück,
    Wenn er spräche: du nahe dich nimmer!
    Und diesem gewährt von den Seligen ward,
    Daß er Ilion nahm,
    In die Heimat kam, von den Göttern geehrt;
    Und soll der jetzt abbüßen das Blut
    Der Erschlagenen, soll mit dem eigenen Tod
    Der Getöteten Tod er entgelten,
    Wer rühmte sich noch, ihm bleibe gewiß
    Gramloses Geschick, wenn er das hört?
    AGAMEMNON.
    Weh, bin verwundet! Todeswunde, die mich traf!
    CHOR.
    Stille! Wer, zum Tod getroffen, ruft um seine Wunde laut?
    AGAMEMNON.
    Weh mir noch einmal! Bin geschlagen wiederum!
    CHORFÜHRER.
    Ausgeführt schon scheint die Untat nach des Königs Weheruf!
    Lasset schnell uns überlegen, was zu tun am sichersten!
    ERSTER CHOREUTE.
    So tu denn ich euch diese meine Meinung kund:
    Zum Palast her sogleich zu rufen alles Volk.
    ZWEITER.
    Mir scheint es besser, einzudringen jetzt und gleich,
    Und schnell zu richten mit dem schnellgezückten Schwert.
    DRITTER.
    Auch ich, derselben Meinung zugetan wie du,
    Will, daß man handle; nicht zu säumen drängt die Zeit.
    VIERTER.
    Das sieht sich leicht ein; denn ein Vorspiel ist's, als

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