Die Orks 02 - Der Schwur der Orks
blickten sie gehetzt zurück in der Erwartung, dass knochige Gestalten sie verfolgten. Aber dort war niemand, nur die Hitze und die stickige Luft setzten den Flüchtenden zu. Keuchend rangen sie nach Atem, während der Berg erneut von einem dumpfen Rumoren erschüttert wurde, das nichts Gutes erahnen ließ.
Dann wurde es auf einmal merklich kühler. Das Atmen fiel ihnen leichter, und eine frische Brise wehte in den Treppenschacht. »Der Ausgang!«, rief Quia, die vorn an der Spitze lief. »Ich kann ihn bereits sehen!«
Einen Augenblick später erblickten auch die übrigen Gefährten die kreisrunde Öffnung, jenseits derer dunkelgrauer Himmel lockte. Dass sie von einer Gittertür verschlossen war, erwies sich als reine Formsache – Balbok packte die Eisenstäbe, zerrte daran und riss die Tür kurzerhand aus ihren Scharnieren. Ungeduldig drängten die Gefährten nach draußen.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, dennoch herrschte feuriges Zwielicht. Das Leuchten über dem Anar hatte zugenommen.
Etwas schien im Inneren des Berges vor sich zu gehen, und die Gefährten fragten sich, ob es mit Ankluas zu tun hatte …
14.
TORMA UR'OLK
Er konnte ihn sehen.
Ankluas hielt sich den Kristall, der bisher an einer ledernen Schnur vor seiner Brust gehangen hatte, vors rechte Auge, und zwar so, dass sich in einer der glatt geschliffenen Oberflächen der Raum hinter ihm spiegelte. Auf diese Weise konnte Ankluas seinen Gegner sehen, ohne dabei in tödliche Starre zu verfallen.
Und was er sah, erfüllte ihn mit Entsetzen.
In alten Berichten hatte er von den Schrecken der Vorzeit gelesen, wusste, was Basilisken waren und hatte bereits gegen ihre Brut gekämpft.
Aber nichts von alldem hatte ihn auf diesen Anblick vorbereiten können.
Die Kreatur war riesig. Der Raubvogelkopf mit dem mörderischen Hackschnabel war so groß wie ein Fuhrwagen und der teils gefiederte Schlangenkörper an die zwei Klafter dick und seine Länge kaum noch abzuschätzen – ineinander verschlungen ringelte sich der Schlangenleib hinter der Kreatur, wo auch die ledrigen Schwingen zu erkennen waren, die ihren Zweck kaum noch erfüllen konnten. Ankluas bezweifelte, dass dieser Basilisk in der Lage war, sich damit in die Lüfte zu erheben, zumal die Flügel löchrig und an vielen Stellen eingerissen waren. Überhaupt schien sich der Schlangenkörper in fortgeschrittenem Verfall zu befinden – die Federn waren stumpf und grau, die Schlangenhaut von dunklen Beulen übersät, aus denen stinkender Eiter troff.
Die Jahrtausende, die das Monstrum in regloser Starre verharrt und gewartet hatte, waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Nur die Augen brannten in einer vernichtenden Glut, denn die Bosheit, die den Basilisken am Leben erhielt, hatte jüngst neue Nahrung erhalten.
»Du hast schon besser ausgesehen, Loreto«, stellte Ankluas fest, das Grauen, das er empfand, überspielend.
»Wen interessiert mein Aussehen?«, zischte die Kreatur. »Ein einohriger Ork ist der Letzte, der sich darüber den Kopf zerbrechen sollte.«
»Nicht immer sind die Dinge so, wie sie scheinen, Loreto«, erwiderte Ankluas. »Du bist nicht das, wofür du dich ausgibst, und ich auch nicht.«
Der Raubvogelkopf, der hoch über dem Ork drohend hin- und herpendelte, legte sich schief. »Wer bist du dann? Verrate es mir, ehe ich dich verschlinge.«
Ankluas ließ den Kristall sinken und wandte sich um. Die Augen hielt er dabei fest geschlossen, aber eine seltsame Verwandlung ging mit ihm vor.
Unter dem verblüfften Blick des Basilisken straffte sich die grüne Haut des Orks, und die Narben und Schwielen verschwanden. Mehr noch, die Haut wurde auch immer blasser, bis sie fast weiß war. Der Rüssel wurde zu einer schmalen Nase, und das spärliche Haar, das vom Hinterkopf hing, wuchs zu einer blonden Mähne.
Die Postur des Orks veränderte sich ebenfalls, wurde kleiner und schmal. Sogar seine Kleidung verwandelte sich – aus derbem Leder wurde eine eng anliegende grüne Hose und ein Rock mit breitem Gürtel.
Der Basilisk ließ ein giftiges Schnauben vernehmen, als er sah, dass nicht länger ein hässlicher Unhold vor ihm stand, sondern eine junge Frau von geradezu blendender Schönheit, eine stolze Tochter des Elfengeschlechts. An ihre blassen, vornehmen Züge konnte sich ein Teil des Basilisken sogar gut erinnern, denn es hatte eine Zeit gegeben, da hatte dieser Teil sie geliebt …
»Alannah.« Die Stimme des Ungeheuers war wie ein eisiger Windhauch. »Wie –
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