Die Orks 02 - Der Schwur der Orks
gewusst, dass der Dunkelelf einst zurückkehren würde …«
»Er hat es gewusst«, entgegnete Corwyn. »In seiner Prophezeiung hat er es vorausgesagt. Aber er glaubte auch daran, dass die Macht des Bösen für immer besiegt werden kann.«
»Dann war er ein Narr«, sagte Ulian leise, aber mit einer Überzeugung in der Stimme, die nicht zu überhören war. Für Träume und Visionen schien in der Vorstellung der Elfen kein Platz mehr zu sein. »Aber sicherlich hast du die weite Reise nicht auf dich genommen, um mit Uns über Farawyn zu philosophieren, oder?«
»Nein«, gab Corwyn zu.
»Also, was führt dich zu Uns, König von Tirgas Lan?«, fragte Ulian, und obwohl er dieses ›Uns‹ im Pluralis Majestatis gebrauchte, da er für den Hohen Rat der Elfen und für sein Volk sprach, lag nach Corwyns Empfinden eine gehörige Portion Spott in seinen Worten, war Ulian doch der Einzige, der von dem Rat noch übrig war. »Trage dein Anliegen vor, solange noch jemand hier ist, es sich anzuhören.«
»Tirgas Lan wird bedroht!«, brachte Corwyn hervor.
»Von wem?« Ulian wirkte weder überrascht noch beunruhigt. »Von Menschen, die deinen Herrschaftsanspruch nicht anerkennen wollen? Von Zwergen, die nach Schätzen gieren? Von den finsteren Kreaturen der Modermark?«
»Weder noch.« Corwyn schüttelte den Kopf. »Fern im Osten, in der Stadt Kal Anar, ist uns eine Bedrohung erwachsen, die ihren Ursprung nicht in Erdwelt hat. Deshalb bin ich hier.«
»Im Osten? In Kal Anar, sagst du?« Zum ersten Mal zeigte sich in Ulians blassen Zügen ein Hauch von Interesse. Natürlich wusste er, welche Rolle die Stadt in der Vergangenheit gespielt hatte; natürlich kannte er die Geschichte des Dunkelelfen Margok, der sich gegen sein eigenes Volk erhoben und die Rasse der Orks gezüchtet hatte, um Erdwelt mit Zerstörung und Krieg zu überziehen. In Kal Anar hatte diese Geschichte einst ihren Anfang genommen – und erst vor einem Jahr in Tirgas Lan ihr Ende gefunden. »Bist du sicher?«
»So sicher man sein kann«, gab Corwyn zur Antwort. »Obwohl es bis vor kurzem nichts weiter gab als Gerüchte und vage Andeutungen. Nicht ein Spion, den ich aussandte, um mir Informationen über den Feind zu beschaffen, kehrte zurück.«
»Welch ein Jammer. Und was verlangst du von Uns, König von Tirgas Lan?«
»Ich bin hier, um Euch um Unterstützung gegen diesen Feind zu ersuchen«, antwortete Corwyn unumwunden, »denn ich fürchte, dass ein Reich, das noch so jung ist und ungefestigt wie das meine, dem Ansturm einer dunklen Macht nicht standhalten wird.«
»Was bringt dich auf den Gedanken, dass in Kal Anar dunkle Kräfte wirken? Gewiss, auch Wir wissen, wessen Heimat die Stadt im Osten einst war. Aber deshalb geht nicht alles, was dort geschieht, von einer dunklen Macht aus.«
»Das mag richtig sein. Jedoch hat sich vor kurzem etwas zugetragen, das mir unwiderlegbar bestätigte, dass sich der Feind, der im Verborgenen zum Krieg gegen uns rüstet, aus unheilvollen Quellen nährt.«
»Tatsächlich?«
»Vor wenigen Tagen«, führte Corwyn aus, mit Bitterkeit in der Stimme, »war die Zitadelle von Tirgas Lan Ziel eines feigen Überfalls. Ohne Vorwarnung und im Schutz der Nacht haben sich feindliche Krieger an unsere Mauern herangeschlichen und sie überwunden, und sie haben viele Zwerge und Menschen der königlichen Garde getötet. Es waren keine lebenden Wesen, die ruchlos und aus dem Hinterhalt über meine Soldaten herfielen – sondern untote Krieger, aus ihren Gräbern gerissen von dunkler Magie!«
»Untote, sagst du?« Corwyn glaubte, dass sich Ulians Blässe auf einmal verstärkt hatte, denn seine Gesichtsfarbe glich schon fast dem Weiß der Wände.
»Skelettkrieger waren es, am Leben gehalten nicht durch Blut und göttlichen Odem, sondern von bloßer Bosheit. Alannah, meiner Gemahlin, schienen Gegner wie diese nicht unbekannt, denn sie riet mir, die Knochenmänner zu enthaupten und ihrem frevlerischen Dasein auf diese Weise ein Ende zu bereiten. So gelang es uns, ihren Angriff abzuwehren, jedoch zu einem hohen Preis.«
»Was ist geschehen?«, wollte Ulian wissen. Jeder Spott und selbst die Gleichgültigkeit waren auf einmal aus seiner Stimme gewichen.
»Alannah …«, brachte Corwyn stockend hervor. »Sie … sie haben die Königin entführt.«
Unter der hohen Kuppel kehrte Stille ein, die so vollkommen war, dass man die Nadel einer Fibel hätte fallen hören. Weder Ulian noch Corwyn sprachen ein Wort, während der Letzte des
Weitere Kostenlose Bücher