Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
saobh erschlagen hatte, war nur zwei Tatsachen zu verdanken, die Rammars Zorn ein wenig besänftigten: dass sie zum einen einen genügend großen Vorrat sowohl an Fackeln als auch an Proviant dabeihatten und dass sie zum anderen schon lange auf keine Riesenratten mehr getroffen waren.
Je weiter sie in das Labyrinth vorstießen, desto weniger von den Viechern schien es zu geben. Woran das lag, konnte Rammar nur vermuten – wahrscheinlich daran, dass sie so weit im Inneren der Anlage nichts mehr zu fressen fanden. Und je mehr sie sich von den widerwärtigen Kreaturen entfernten, desto lieber war es dem feisten Ork. Schließlich wollte er nicht erleben müssen, wie sich Balbok vor den Augen der Menschen erneut mit einer Ratte verbrüderte.
Zum ungezählten Mal gelangten sie in eine Höhle, die gleich mehrere Ausgänge hatte. Da offenbar keiner davon nach oben führte, überließ es Rammar seinem Bruder, die Entscheidung zu treffen. Das hatte den Vorteil, dass er nachher lauthals über ihn herfallen und ihn beschimpfen konnte, wenn sich die Wahl als falsch herausstellte.
Obwohl Balbok nicht lange fackelte und seine Wahl zügig traf, blieben Rammar die misstrauischen Blicke von Huggo und den anderen Piraten nicht verborgen. Zu Beginn hatten Cassaros Männer fest auf die Ortskenntnis der Orks vertraut. Nach dem endlos langen Marsch durch die trübe Dunkelheit schienen ihnen jedoch erste Zweifel zu kommen. Um sich vor den Menschen keine Blöße zu geben, hatten sich die Orkbrüder untereinander immer nur in ihrer Sprache unterhalten. Doch wie es aussah, hatte auch das allmählich keine Wirkung mehr …
»Wie lange dauert es eigentlich noch?«, wollte Huggo wissen. »Könnt ihr uns das vielleicht sagen?«
»Bis wir am Ziel sind«, entgegnete Rammar lakonisch.
»Und wann wird das sein?«, bohrte der Pirat weiter. Die Augenklappe, die er trug, weckte bei Rammar unangenehme Assoziationen an einen gewissen Kopfgeldjäger, der zum König wurde. »Wir irren nun schon seit einer halben Ewigkeit durch diese Stollen. Und weißt du was?«
»Was?«, knurrte Rammar.
»Ich habe das Gefühl, dass wir schon einmal in dieser Höhle waren«, eröffnete Huggo rundheraus, »nur mit dem Unterschied, dass wir das letzte Mal den linken Stollen genommen haben. Weißt du, was ich glaube?«
»Was glaubst du, Milchgesicht?«
»Dass ihr beide entweder keine Ahnung habt, welchen Weg wir nehmen sollen – oder dass ihr uns in eine Falle locken wollt!«
Falle!
Das eine Wort genügte, um die übrigen Piraten aus der Lethargie zu reißen, in die sie während des langen Marsches durch die Dunkelheit verfallen waren. Auf einmal zogen sie ihre Waffen, sodass sich Rammar schlagartig von Bootsäxten und Entermessern umzingelt sah.
»Was soll das?«, blaffte er und funkelte sie aus blutunterlaufenen Augen an. »Wollt ihr meutern?«
»Wir wollen wissen, was du mit uns vorhast!«, grollte Huggo, und die übrigen Piraten nickten zustimmend. »Seid ihr beide nur dämlich oder gefährlich, das ist die Frage.«
»Dämlich ist nur mein Bruder, ich nicht«, stellte Rammar klar, »aber wenn du glaubst, dass ich …«
»Rammar …?«, drang plötzlich Balboks Stimme aus dem Stollen.
»Korr, was ist?«
»Ich finde, du solltest dir das mal ansehen.«
Rammar schnaubte und verdrehte die Augen. Konnte dieser langgesichtige, knochendürre Dämlack niemals Ruhe geben?
»Sei vorsichtig«, schärfte Huggo ihm ein. »Wir beobachten dich, Fettsack. Und wenn wir das Gefühl haben, dass du uns hintergehen willst …« Er nickte grimmig und überließ es Rammars Phantasie, sich vorzustellen, was in diesem Fall geschehen würde. Dann gab er seinen Leuten ein Zeichen, worauf sie die Waffen senkten und den Ork gehen ließen.
»Wo bist du?«, rief Rammar in den Stollen.
»Hier«, hallte es unter mehrfachem Echo zurück.
Seufzend machte sich Rammar auf den Weg und watschelte den Gang hinab, gefolgt von Huggo und den anderen. Er konnte es den Menschen nicht verdenken, dass sie unruhig wurden. Ihm ging es ja nicht anders. Aber natürlich durfte er keine Aufsässigkeit dulden. Am besten war es wohl, wenn er einen von ihnen vor aller Augen massakrierte. Das hob die Stimmung (zumindest seine) und brachte die Saubande wieder auf Linie.
Im nächsten Moment jedoch sah Rammar, dass dies wohl nicht mehr nötig sein würde. Denn während er sich mit den Milchgesichtern gestritten hatte, schien sein nichtsnutziger Bruder tatsächlich eine Art Eingang gefunden zu haben.
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